Geschichten und Musik

Schlagwort: Übersetzungen

Rückblick

Anfang August, kurz vor Urlaub, ist die beste Jahreszeit für einen Rückblick auf das erste halbe Jahr. Na gut, ein Halbjahr plus.

In dieser Zeit wurde eine größere Übersetzung fertig, »Das Reis-Buch« von Sri Owen. Es erscheint im September und kann bereits vorbestellt werden (im Autorenwelt-Shop zum Beispiel). Außerdem gibt es Neues aus der Waldläufer-Saga. Die Übersetzung von Band 12 biegt in die Zielgerade ein, bei Amazon erschienen sind inzwischen die Bände »Die Türkiskönigin« (8), »Verrat im Norden« (9) und »Das Waldläuferkonzil« (10). Dazwischen kam noch etwas kleineres Musikalisches, auch dieses Jahr wieder Händel.

Geschrieben habe ich seit Mai (Einsendeschluss für das PAN-Stipendium) nicht mehr viel. Eine Kurzgeschichte ist zum Verlag OhneOhren gewandert. Die betreffende Ausschreibung läuft noch, wer also einen inspirierenden Vertipper auf Lager hat, kann ihn bis Ende September kreativ verwursten. Eine wesentlich kürzere Geschichte soll sich in den nächsten Tagen auf den Weg machen, und für den Herbst sind noch zwei in Arbeit (Ausschreibung eins und zwei). Ich hoffe, dass ich im Urlaub mit »Das Schwert des Wilden Landes« weiterkomme. Wie schon öfter bin ich überzeugt, dass es bis zur fertigen Fassung nicht mehr weit ist und ich diesmal aber den richtigen Dreh habe, um alles zum guten Ende zu bringen.

RückblickMeine Garten-Versuche waren nicht von großen Erfolgen gekrönt. Es gab etliche daumenkuppengroße Karöttchen und eine Handvoll Kirschtomaten – alles lecker, aber halt in recht übersichtlichen Mengen. Bei den Tomaten ist Nachschub unterwegs, auch in etwas größerem Format. Mal sehen, wie sie das aktuelle Regenwetter überstehen. Andererseits zieren sich derzeit sogar die Zucchini, sie kommen über Blüten nicht hinaus.

Etwas mehr Erfolg habe ich beim Teepilz-Züchten. Die Kombucha-Beschaffung hier vor Ort ist nicht ganz einfach, der hiesige Laden hat keinen, der in Fahrradentfernung nimmt die leeren Flaschen nicht zurück. Also bin ich in die Produktion eingestiegen (mit einem Starter-Set von Fairment). Derzeit entwickelt sich der dritte Ansatz, diesmal mit Schwarztee. Den zweiten mit Earl Grey finde ich ausgesprochen lecker, aber das soll den beteiligten Mikroben nicht gut bekommen. Und die spielen bei der Aktion schließlich die Hauptrolle, also probiere ich weiter herum. Die nächste spannende Stelle wird der Urlaub. Angeblich hilft, Pilz und Ansatzflüssigkeit in einem dicht verschlossenen Glas im Kühlschrank zu parken. Wir werden sehen.

RückblickIn Winneweh habe ich festgestellt, dass ich auch in meinem eUp übernachten kann. Die Methode lässt sich noch optimieren, aber auf dem ziemlich flachgelegtem Vordersitz war es schon recht gemütlich. Vor allem, während draußen ein Gewitter tobte. Immerhin konnten wohl alle wieder ohne fremde Hilfe von der Wiese fahren. (Ein Wink mit dem Methorn nach Wacken …)

Als nächstes geht es zum Burgfest, dieses Jahr mit Drohnenshow statt Feuerwerk. Aktuell dürfte die Waldbrandgefahr zwar gebannt sein, aber bis vor ein paar Wochen sah es noch deutlich anders aus, und weniger böllern schadet nie.

Im September werde ich dann wohl wieder aus der Versenkung auftauchen, vermutlich mit der einen oder anderen Back-Aktion.

Auftakt zum neuen Jahr

Auftakt zum neuen Jahr

Burg Lindenfels grau in grau

Am 15. Januar wird es langsam Zeit für den offiziellen Auftakt zum neuen Jahr, auch wenn noch nicht alle Bestandteile der Feiertagsmenüs aufgegessen sind.

Das Weihnachtsessen war diesmal aus Versehen vegan, nach Rezepten aus diversen Kochbüchern, die ich in letzter Zeit übersetzt habe. (Noch nicht erschienen, aber vorbestellbar: Ist das ein Kochbuch von Heston Blumenthal; aus dem stammte die Suppe.) An Silvester habe ich dann ein paar ältere Bücher (unter anderem »Le Petit Paris« von Nathalie Benezet) herausgezogen und handliche Kleinigkeiten zu Fladenbrot serviert. Jetzt sind noch diverse Sorten Getreide, Tiefkühl-Heidelbeeren und Nori-Flocken zu verarbeiten.

Neue Bücher

Auch im neuen Jahr fängt die Arbeit wieder mit einem Kochbuch an, in dem es um Reis in allen Variationen geht. Bis Ende Februar soll es fertig werden, und zurzeit bin ich guter Dinge, dass es klappt. Darin sind etliche Rezepte enthalten, bei denen ich mich schon freue, sie einmal auszuprobieren.

Ansonsten sind für dieses Jahr vier Romanübersetzungen in Arbeit, Band 10 bis 13 der Reihe »Der Weg des Waldläufers« (Amazon-Link). Band 7 erscheint im Februar auf Deutsch, auf Spanisch ist Band 16 in Arbeit. Wer Lust auf abenteuerliche Fantasy hat, findet da also genügend Nachschub.

Meine eigenen Schreibpläne für dieses Jahr sind eher sparsam. Ich nehme mir zum x-ten Mal vor, »Das Schwert des wilden Landes« doch noch zu veröffentlichen, auch wenn es kürzer ausfällt als geplant. Ansonsten läuft eine Ausschreibung des Verlags Ohneohren mit dem einladenden Titel »Das Leuchten der Schweinwerfer«, an der ich mich mit einem passenden Vertipper beteiligen möchte. Für die entsprechende Jahreszeit plane ich eine Adventsaktion mit Geschichten und diversen Kleinigkeiten, zum 25-jährigen Jubiläum.

Die Stadt Lindenfels feiert dieses Jahr ebenfalls ein Jubiläum, das ein paar hundert Jahre weiter zurückreicht, und in dem Zusammenhang wird wohl Der Jahrmarkt zu Jakobi noch einmal eine Bühne bekommen. Sobald es dazu mehr Termine gibt, werde ich sie hier bekanntgeben. Da wären zum Beispiel noch »Drachenvolk und Kumpanei« oder das LiFe zu erwähnen.

Musikalisches und Grünes

Daneben bereitet sich die absolut einmalige, unvergleichliche Band Neckarklang auf die Tanz- und Freiluftsaison vor. Diesmal scheint es ernst zu werden, man wird uns bei der einen oder anderen Veranstaltung zu hören bekommen. Wenn wir uns auf die richtigen Töne einigen können, hupe ich die Basstöne nicht nur mit dem Krummhorn, sondern auch mit dem Fagott. Das muss zurzeit als großes Gebläse reichen, denn die Gottesdienste finden zwecks Energiesparens im ökumenischen Gemeindesaal statt. Das finde ich zwar prinzipiell richtig, aber die Orgel fehlt mir trotzdem.

Vom Saatgut-Adventskalender habe ich bisher ein Tütchen verarbeitet, das vom 24. Dezember für den Weihnachtsbaum 2027. Ich hoffe, die vorhergesagten kalten Tage sorgen dafür, dass die Samen in angemessener Zeit aufgehen. Die anderen Gewächse mögen es lieber wärmer und sind später dran.

Buchmesse Saar 2021

Buchmesse Saar 2021

Morgen um 16.00 Uhr startet die Buchmesse Saar 2021 online, wo ich in einem der hübschen Autorenhäuschen einquartiert bin. Aus diesem Anlass wird der Pfingstchoral zur Seite geschoben und in den nächsten Tagen soll hier öfter etwas Neues erscheinen als in letzter Zeit üblich. In der Abteilung Geschriebenes tauchen dann Leseproben meiner veröffentlichten Geschichten auf (ein paar sind schon schon hier und hier zu finden). Eventuell gibt es auch noch den einen oder anderen Bonustext.

Ansonsten berichte ich aus der Übersetzungswerkstatt. Die ist am Stand etwas unterrepräsentiert, und außerdem hat sie gerade eher regen Betrieb.

Bereits im Mai ist der Artikel Der Ostseeraum – Spannungsfeld im Wandel der Zeiten von Nils Blomkvist erschienen. Ich freue mich, auf einer so vielsprachigen Website wie der Baltic Sea Library vertreten zu sein. Derzeit übersetze ich einen Ratgeber aus dem Niederländischen und einen historischen Liebesroman aus dem Englischen.

Letztere sind nicht wirklich mein Bier, egal, ob historisch oder nicht. Das vorliegende Exemplar macht allerdings so einiges richtig, das kann ich auch als Nicht-Kennerin des Genres feststellen. Ausführlicher sollte ich mich wohl erst darüber auslassen, wenn das Buch erschiehen ist. Es handelt sich zudem meine erste Kooperation mittels Reedsy. Bisher ist sie recht glatt verlaufen, ich hoffe, dass der Abschluss genauso unkompliziert vonstatten geht wie der Anfang.

Neben den Büchern waren diese Woche auch drei Gesellschaftsspiele zu Gast. Die zwei Brettspiele habe ich schon vor einiger Zeit übersetzt und es wurden Änderungen fällig. Das dritte war ein neues, ein Memory-ähnliches Kinderspiel.

Noch nicht ganz abgeschlossen sind die Künstlerbiografien für ein Festival in Belgien. Da fallen mir hoffentlich bis morgen noch ein paar fluffige Formulierungen ein. Bei der Hitze heute zerfließen mir die Sätze einfach.

Der Brotjob – Bereicherung fürs Autor_innenleben?

Der Brotjob - Bereicherung fürs Autor_innenleben?… Darum geht es beim heutigen #Autor_innensonntag.

Mein Brotjob als Übersetzerin sieht dem Autor_innenleben in weiten Teilen ziemlich ähnlich. Dadurch kommen sich die beiden selten in die Quere. Die Frage nach der Bereicherung finde ich dagegen schwieriger zu beantworten.

Große Ähnlichkeit

Vom Übersetzen zum Schreiben zu wechseln ist keine große Umstellung. Es geht in beiden Fällen darum, Wörter zu dressieren, und dazu verwende ich ähnliches Werkzeug. Na gut, MemoQ oder Trados helfen beim Schreiben nicht wirklich weiter, Papyrus Autor beim Übersetzen – je nach Projekt – allerdings schon. Beides sind freie Berufe, daher ist der organisatorische Rahmen derselbe. Ich brauche nicht nachzufragen, ob ich einer Nebenbeschäftigung nachgehen darf. Buchmesse-Besuche oder Aktionen der BücherFrauen gehören ebenfalls zu beidem.

Wenig Begegnungen

Diese Ähnlichkeit hat allerdings auch gewisse Nachteile. Wenn ich ohnehin den ganzen Arbeitstag tippend vor dem Bildschirm verbracht habe, reicht die Energie nicht immer, um abends damit weiterzumachen. Außerdem fehlen Anregungen von außen und Live-Kontakte zu anderen Menschen. Die kommen zu normalen Zeiten durch meinen zweiten Nebenjob als Organistin oder durch Freizeitaktivitäten – Plotten beim Schwimmen, hatte ich das schon mal erwähnt? – und fallen jetzt komplett weg. Was planbar ist, lässt sich teilweise ins Netz verlagern, rein zufällige Interaktionen eher schlecht. Aber das ist eine Ausnahmesituation und soll sich gefälligst bald wieder ändern.

Anregungen

Gerade jetzt muss ich mir die Anstöße für neue Ideen verstärkt beim Übersetzen holen. Ja, auch in Kochbüchern lässt sich da etwas finden, noch mehr bei allgemeineren „Kultur“-Texten. Für das gerade abgegebene Historienprojekt habe ich mir Die Beschreibung der Welt von Marco Polo geholt – hat in dem speziellen Zusammenhang nicht allzu weit geholfen, könnte aber vielleicht in einer Fantasy-Geschichte enden. Der nächste historische Übersetzungsauftrag führt an die Ostsee, und ich bin sicher, dass dabei ebenfalls ein paar Anregungen herumkommen.

Ansonsten lese ich diverse aktuelle Quellen in meinen Ausgangssprachen. Dinge, die mich interessieren, habe ich abonniert, ich lasse mich aber auch gern vom Zufall hierhin und dorthin lenken. So sind mir zum Beispiel Elisa e Marcela zugelaufen. Einige weitere Themen liegen noch in der Schublade und könnten sich in Zukunft hier zeigen.

 

Weihnachtsgeschichte: Meister Pérez der Organist 1

Es folgt eine Weihnachtsgeschichte aus Spanien: „Meister Pérez der Organist“ (Teil 1), von Gustavo Adolfo Bécquer (1836-1870), in meiner Übersetzung, mit geringfügigen Bearbeitungen.

Weihnachtsgeschichte - Meister Pérez der Organist

In Sevilla, im Vorhof der Kirche Santa Inés, hörte ich von einer Pförtnerin des Klosters die folgende Geschichte, während ich auf den Beginn der Christmette wartete. Natürlich wartete ich danach um so ungeduldiger auf den Beginn des Gottesdienstes, begierig, ein Wunder mitzuerleben.

Aber nichts Wunderbares ist an der Orgel von Santa Inés, nichts Gewöhnlicheres gibt es als die öden Motetten, die uns der Organist an jenem Abend zu Gehör brachte. Als ich die Kirche nach der Messe verließ, konnte ich mich nicht enthalten, gegenüber der Pförtnerin scherzhaft anzumerken: „Was hat es damit auf sich, dass die Orgel von Meister Pérez heute so schlecht klingt?“

„Ganz einfach“, erwiderte die Alte, „das ist gar nicht seine Orgel.“

„Nicht seine Orgel? Was ist mit ihr passiert?“

„Sie ist schon vor ein paar schönen Jahren in Stücke gefallen, aus Altersschwäche.“

„Und die Seele des Organisten?“

„Ist nicht mehr erschienen, seit man die neue Orgel eingebaut hat.“

Falls sich jemand nach der Lektüre dieser Erzählung dieselbe Frage stellen sollte, sei hiermit erklärt, warum das Wunder sich in unseren Tagen nicht mehr ereignet.

I

„Seht Ihr den mit dem roten Mantel und der weißen Feder auf dem Filzhut, der aussieht, als ob er alles Schätze Amerikas auf dem Wams trüge? Der gerade aus seiner Sänfte steigt und dieser Dame die Hand gibt … sie ist ebenfalls ausgestiegen und kommt jetzt auf uns zu, und vier Pagen mit Fackeln bahnen ihr den Weg? Das ist der Marqués de Moscoso, der Verehrer der verwitweten Gräfin Villapineda. Es heißt, dass er, bevor er ein Auge auf diese Dame geworfen hat, um die Hand der Tochter eines reichen Herrn angehalten hat; aber der Vater des Fräuleins, von dem sagt man, er wäre doch ein wenig geizig … aber still! Wenn man den … na, du weißt schon, nennt … ¿Siehst du den, der da unter dem Bogen von San Felipe vorbeigeht, mit dem dunklen Mantel, und nur ein Diener mit Laterne, der ihm leuchtet? Jetzt kommt er an dem Heiligenbild vorbei …

Habt Ihr gesehen, wie er das Bild gegrüßt hat und dabei den Orden an seiner Brust funkeln lässt?

Ohne diese edle Auszeichnung würde man ihn glatt für einen Fischhändler aus der Calle de Culebras halten … Das ist der Vater, den ich meine; schaut nur, wie ihm die Leute Platz machen und ihn grüßen.

Ganz Sevilla weiß von seinem kolossalen Reichtum. Er allein hat mehr Golddukaten in seinen Truhen als unser Herr und König Felipe Soldaten unterhält, und mit seinen Galeonen könnte er ein Geschwader zusammenstellen, vor dem alle Piraten Reißaus nähmen …

Schaut da, die Gruppe von würdigen Herren: Das sind die Stadträte. Hola, hola! Da ist auch dieser Flame, von dem es heißt, dass ihn die Herren von der Inquisition nur in Ruhe lassen, weil er den nötigen Einfluss bei den Magnaten in Madrid hat … Er kommt nur in die Kirche, um Musik zu hören … Aber wenn Meister Pérez mit seiner Orgel ihm keine faustgroßen Tränen entlockt, dann steht es fest, dass er keine Seele mehr hat, sondern dass sie schon in den Kesseln der Hölle schmort … Ah, Nachbarin! Das wird übel … Da bekommen wir wohl eine Schlägerei; ich ziehe mich in die Kirche zurück, denn ich sehe schon, hier wird es mehr Prügel geben als Vaterunser. Schaut da; die Leute des Herzogs von Alcalá kommen um die Ecke an der Plaza de San Pedro, und im Callejón de las Dueñas habe ich, glaube ich, schon die von Medinasidonia gesehen … Hab ich’s nicht gesagt?

Sie haben sich gesehen, sie versperren einander den Weg … die Leute laufen auseinander … die Büttel ziehen sich zurück, denn auf die gehen bei solchen Gelegenheiten Freund und Feind gemeinsam los … Sogar der Herr Stadtrichter mit Amtsstab und allem sucht Zuflucht im Vorhof … und da sagen sie, es gäbe eine Gerechtigkeit.“

„Für die Armen …“

„Kommt, kommt, da funkeln schon die Schilde … Allmächtiger Herr, beschütze uns! Da gehen sie aufeinander los … Nachbarin, Nachbarin! Hierher … bevor sie die Türen schließen. Aber still! Was ist das? Sie haben noch nicht richtig angefangen, da hören sie schon wieder auf. Was ist das für ein Auflauf? … Brennende Fackeln! Sänften! Der Herr Bischof!

Die Muttergottes der Hilflosen, die ich gerade im Geist angerufen habe, schickt ihn mir zur Hilfe … Ay! Niemand weiß, was ich dieser Lieben Frau verdanke!… Mit so hohen Zinsen zahlt sie mir die armseligen Kerzen zurück, die ich jeden Samstag für sie anzünde!… Schaut nur, wie großartig er aussieht, mit seinem violetten Habit und dem roten Birett … Gott erhalte ihn noch so viele Jahre auf seinem Sitz, wie ich mir noch Leben wünsche. Ohne ihn wäre schon halb Sevilla verbrannt in den Streitigkeiten der Herzöge. Schaut nur, wie die beiden Heuchler an die Sänfte des Bischofs herantreten und ihm den Ring küssen … Wie sie ihm folgen und ihn begleiten, als ob sie zu seiner Entourage gehörten. Wer würde glauben, dass die zwei, die sich jetzt als beste Freunde geben, wenn sie in einer halben Stunde in einer dunklen Gasse wieder zusammentreffen … ich meine, dann!… Gott weiß, dass ich sie nicht für feige halte. Das haben sie schon bewiesen, haben mehr als einmal gegen die Feinde des Königs gekämpft … Aber es ist doch wahr, wenn sie wollten … wenn sie wirklich wollten, könnten sie diesen ständigen Streitereien ein Ende machen. Denn in Wahrheit sind vor allem ihre Verwandten und ihre Diener mit Feuereifer dabei.

* * *

Aber kommt, Nachbarin, gehen wir in die Kirche, bevor wir dort gar keinen Platz mehr finden … manchmal ist es an Heiligabend so voll, dass kein Weizenkorn mehr hineinpasst … Die Nonnen haben großes Glück mit ihrem Organisten … War das Kloster überhaupt schon einmal in einer so glücklichen Lage? … Von den anderen Orden hört man, dass sie Meister Pérez großartige Angebote gemacht haben, was auch gar kein Wunder ist, sogar der Herr Erzbischof selbst hat ihm schon Berge von Gold geboten, um ihn für die Kathedrale abzuwerben … aber er sagt nein … Eher lässt er sein Leben, als seine Lieblingsorgel aufzugeben … Kennt Ihr etwa Meister Pérez noch nicht? Ach, Ihr seid ja neu in der Gemeinde … Er ist fast ein Heiliger. Arm, ja, aber wohltätig wie kein anderer … Er hat keine Verwandten außer seiner Tochter und keine Freunde außer der Orgel. Er verbringt sein ganzes Leben damit, über die Unschuld der einen zu wachen und die Register der anderen in bester Form zu halten … Natürlich ist die Orgel schon alt!… Trotzdem gibt er sich so viel Mühle sie zu pflegen und zu warten, dass ihr Klang ein wahres Wunder ist … Er kennt sie so gut, hat alles im Gespür … ich weiß nicht, ob ich es dir schon gesagt habe, aber der arme Mann ist blind von Geburt an … Und trägt dieses Unglück mit so viel Geduld! … Wenn man ihn fragt, was er dafür geben würde, wieder sehen zu können, antwortet er: ‚Viel, aber weniger als ihr glaubt, denn ich habe Hoffnung.‘ – ‚Hoffnung, zu sehen?‘ – ‚Ja, und schon bald‘, fügt er mit einem engelsgleichen Lächeln hinzu. ‚Ich bin schon sechsundsiebzig; auch wenn mein Leben lang war, bald werde ich Gott sehen …

Der arme Kerl! Und er wird ihn sehen … denn er ist bescheiden wie ein Pflasterstein, über den alle Welt hinweggeht … Er sagt, er sei nicht mehr als ein armer Klosterorganist, dabei könnte er dem Kantor der Kathedrale noch Musikunterricht geben; sein Amt ist ihm schon in die Wiege gelegt worden … Sein Vater hatte den gleichen Beruf; ich habe ihn nicht gekannt, aber meine Frau Mutter, Gott hab sie selig, sagt, dass er ihn immer mit an die Orgel genommen hat, um die Bälge zu treten. Später hat der Junge so viel Talent gezeigt, was ja nur natürlich ist, dass er nach dem Tod seines Vaters das Amt geerbt hat Und seine Hände! Gott segne sie. Sie hätten es verdient, dass man sie in die Calle de Chicarreros bringt und vergolden lässt … Er spielt immer gut, immer; aber in Nächten wie dieser ist es ein wahres Wunder … Die Christmette ist ihm sehr wichtig, und wenn um Schlag zwölf, zu der Stunde in der unser Herr Jesus Christus geboren wurde, die Hostie erhoben wird … da klingen die Stimmen der Orgel wie der Gesang der Engel …

Aber wozu soll ich Euch erzählen, was Ihr in dieser Nacht hören werdet? Ihr braucht doch nur zu sehen, wie sich die Blüte von Sevilla, sogar der Herr Erzbischof persönlich, in diesem bescheidenen Kloster versammelt, um ihn spielen zu hören; und es sind nicht nur die gebildeten Leute oder solche, die sich auf Musik verstehen, die seinen Wert kennen, sondern auch das einfache Volk. Diese Menschenmengen, die Ihr mit brennenden Kienfackeln hereinströmen seht, die hemmungslos Weihnachtslieder grölen und dazu mit Tamburins und Rummeltöpfen lärmen, wie es selbst in der Kirche ihre Gewohnheit ist, sind mäuschenstill, wenn Meister Perez die Hände auf die Tasten legt … und wenn er anhebt … wenn er anhebt, regt sich nicht einmal eine Fliege … aus allen Augen fließen dicke Tränen, und wenn sein Spiel endet, hört man einen gewaltigen Seufzer, nichts anderes als der Atem, den das ganze Publikum angehalten hat, solange die Musik erklang … Aber kommt, kommt, die Glocken hören schon auf zu läuten, gleich fängt die Messe an; gehen wir hinein.

Heiligabend ist für alle, aber so selig wie für uns wird er sonst nirgends.“

So sprach die gute Frau, die ihre neue Nachbarin ausführlich mit dem Leben in der Gemeinde bekannt gemacht hatte, überquerte den Vorhof des Klosters Santa Inés, und mit einem Ellbogenstoß hier und einem Schubs dort betrat sie das Gotteshaus und verschwand in der Menge, die sich durch die Tür drängte.

* * *

Fortsetzung folgt.

Bild: Ed Schipul via Flickr, CC BY-SA 2.0

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