Geschichten und Musik

Schlagwort: Rezension

#bücherhamstern – 1x Krimi, 1x Fantasy

Immer noch unter dem Motto #bücherhamstern habe ich mir auf Empfehlung aus dem Netz 1 x Krimi und 1 x Fantasy geholt, als Lesefutter für ein paar entspannte Tage über Fronleichnam.

#bücherhamstern - 1x Krimi, 1x FantasyDie schwarze Madonna

von Noah Sow ist ein afrodeutscher Heimatkrimi, erschienen bei BoD. Damit ich mich nicht in Spoiler verstricke, fasse ich mich möglichst kurz. Wer das Genre mag, sollte sich dieses Buch nicht entgehen lassen. Es gibt eine fähige Ermittlerin, die Kaufhausdetektivin Fatou Fall, bayrisches Landleben und eine ausführliche Frisuren-Session. Nach den gängigen Marketing-Theorien sind die Hauptfigur und ich uns so unähnlich, dass ich mich mit ihr ü-ber-haupt nicht identifizieren können sollte. Komischerweise stört das beim Lesen so gar nicht, im Gegenteil

Das Blut fließt in diesem Krimi nicht gerade literweise, was in meinen Augen ein Vorteil ist. Die Bösewichte sind einigermaßen erwartbar; das kann man als Manko ansehen, oder auch als eine der Genrekoventionen, mit denen gespielt wird. So kommt auch der berühmte Anruf von Scotland Yard. Auch das Familienleben der Ermittlerin wird ausführlich beleuchtet, was ein paar interessante Nebenfiguren auf den Plan ruft.

Von mir aus könnte Fatous zweiter Fall demnächst kommen.

#bücherhamstern - 1x Krimi, 1x FantasyMaresi – Das Lied der Insel

von Maria Turtschaninoff ist ein High-Fantasy-Roman mit vergleichsweise wenig epischem Gemetzel, erschienen bei Heyne. Die Originalsprache ist ausnahmsweise nicht Englisch, sondern Schwedisch, übersetzt hat Hedwig M. Binder. Die Titelheldin wächst in einem Kloster auf, und ich bin schwer beeindruckt davon, wie faszinierend dieses regelmäßige Leben beschrieben wird. Natürlich bleibt es nicht beim friedlichen Idyll, die Heldin muss schwierige Entscheidungen treffen, um ihr Zuhause zu retten. Möglicherweise sind auch hier die Schurken gar zu finster und eine Wendung etwas klischeehaft geraten. Der Kern der Geschichte ist allerdings ein anderer, und der wird genau richtig beleuchtet. Es gibt einen weiteren Band der Reihe mit dem Titel Naondel, der allerdings noch nicht auf Deutsch erschienen ist.

Beide Bücher gibt es als Print wie auch als E-Book, im stationären Buchhandel oder online. Wer Abenteuer ohne Liebesgeschichte zu schätzen weiß, ist mit beiden gut bedient.

#Bücherhamstern – „Das Gesetz der Flamm”

Beim #Bücherhamstern habe ich unter anderem auch den Roman „Das Gesetz der Flamm“ von Leann Porter an Land gezogen, erschienen im Dead Soft Verlag 2019.

#Bücherhamstern - Das Gesetz der Flamm

Klappentext: “Zwanzig Schritte.

Weiter darf sich Taugenichts Dashan nicht von Flint entfernen, sonst werden sie von ihren Giftarmreifen getötet.

Dabei wollte Dashan doch nur einen Blick auf den Neuzugang in der Sammlung des Königs werfen: den Flamm Flint, heiß wie Feuer unt exotisch wie eine Nacht unter östlichen Sternen. Dummerweise brannte besagte Sammlung dabei ab. Zur Strafe werden beiden tödliche Giftarmreifen verpasst, die sie aneinander binden. Um seine Freiheit wieder zu erlangen, muss Dashan als Flints Bewacher den Hochzeitstross der Prinzessin begleiten. Als sie unterwegs von Sturmreitern überfallen werden, sieht er seine große Stunde gekommen. Endlich darf er zeigen, was in ihm steckt! Nämlich ein Held, der die Prinzessin rettet! Doch sein Plan wird von Flint vereitelt, der ihn zur Flucht zwingt. Denn wie heißt es so schön im Gesetz der Flamm: “Besser ein lebender Feigling als ein toter Held.””

Um am Leben zu bleiben, hat der Feigling allerdings einiges auszustehen, was ihm als echtem Taugenichts nicht leicht fällt.  Dashan gehört nicht zu der Sorte verhinderter Helden, die sofort zu Höchstform auflaufen, sobald sie in die Nähe eines Abenteuers kommen. Er kann gegen Ende nicht wirklich besser kämpfen als am Anfang.

Auch die anderen Figuren, mit denen es die beiden zu tun bekommen, sind eher eigenwilliger Natur. Insbesondere die Prinzessin und der Prinz, mit dem sie verheiratet werden soll, spielen jeweils ihr eigenes Spiel. Einen Helden, der sie rettet, hat Via vielleicht nicht so dringend nötig.

Die Welt, in der sich das Abenteuer abspielt, ist Dashan ebenso fremd wie den Lesern. Die Reise nach Radosyr mit allen Abkürzungen und Umwegen ist sein erster größerer Ausflug aus dem Palast, in dem er aufgewachsen ist. Man kann also mit ihm über fremde Landschaften und Gepflogenheiten staunen (zum Beispiel über die schwere Strafe, einem Sturmreiter seinen Puffin wegzunehmen) und annehmen, dass es außer dem im Roman gezeigten Ausschnitt sicherlich noch mehr gibt. Magie existiert in dieser Welt, wird aber sparsam eingesetzt. Vernünftige Erklärungen für seltsame Phänomene sind schließlich genauso wundervoll wie Zauberei. Sagt Meister Godehard, und der muss es wissen.

Wer temporeiche Abenteuer mit wenig Blutvergießen mag, ist hier an der richtigen Adresse. Dem Vernehmen nach ist eine Fortsetzung in Vorbereitung.

 

#Bücherhamstern – “Herr der sieben Königreiche”

Ich präsentiere das nächste Hamsterbuch: Herr der sieben Königreiche – Tausend Wunder … und ein Tropfen Ghulspucke von Sylvia Rieß.

#Bücherhamstern - Herr der sieben Königreiche

Wie das Umschlagmotiv andeutet, handelt es sich dabei um ein Hamsterbuch im engeren Sinn: Auslöser für alles, was sich auf den gut 200 Seiten abspielt, ist der Hamster Ambros, Partner in Crime des Gnom-Meisterdiebs Maljosh. Der kommt auf die unglückliche Idee, beim mächtigsten Schwarzmagier der sieben Königreiche und darüber hinaus einzubrechen, und Ambros kriegt den Fluch dafür ab. Er hustet sich von da an buchstäblich die Seele aus dem Leib, und zwar in kleinen Stückchen.

Maljosh beauftragt die zwergische Voodoohexe Zitara Zaylandra, diesen finsteren Fluch zu lösen. Gemeinsam – mit Ambros in Maljoshs Brusttasche – brechen sie auf in die Grotte der Tausend Wunder, um dort die sieben Zutaten der Macht zu beschaffen. Die werden für einen Heiltrank für den Hamster gebraucht.

Damit beginnt ein knalliges, mitunter auch knallbuntes Abenteuer, das keinen Rollenspiel-Klassiker auslässt. In der kleinen, gemütlichen Kneipe treffen die beiden „Helden“ einen weiteren Gefährten und es kommt zu einer zünftigen Keilerei. Anschließend geht es in den Dungeon, in dem Grimmzahns sämtliche Fallen verarbeitet sind und die Monster von Stufe zu Stufe schröcklicher werden. Entsprechend sind auch die Lösungen, die unsere Helden nach und nach auffahren.

Am Ende ist ein Problem gelöst, dafür erhebt sich ein neues, sehr viel größeres. Entsprechend ist eine ganze Reihe von Fortsetzungen angekündigt, allerdings noch nicht erschienen.

Sehr wohl zu haben ist dagegen Der Axolotlkönig von derselben Autorin, den werde ich mir wohl demnächst auch mal zulegen.

(Wenn ich noch etwas zum Meckern suche, könnte ich die einigermaßen zahlreichen Tipp- und Satzfehler sowie sprachlichen Ungenauigkeiten nennen. Aber das ist mein Privatproblem, dass mich so etwas stört. Bei all der Action kann man darüber auch einfach weglesen.)

#Bücherhamstern – “Tod einer Andentaube”

Tod einer Andentaube

Hamsterbücher – Achtung, Werbung!

Weiter geht es mit dem #Bücherhamstern. Gestern sind meine gedruckten Hamsterbücher eingetroffen, die meisten elektronischen sind schon etwas länger hier, siehe auch die Liste unter Gelesenes. “Tod einer Andentaube” von Sabrina Železný aus dem Burgenwelt-Verlag habe ich auch schon gelesen. Würde das Abenteuer in Europa spielen, wäre es ein Mittelalter-Krimi mit übersichtlichen knapp 60 Seiten.

Wir befinden uns zwar im späten 13. Jahrhundert, aber in Peru. Es ist also keine neugierige Begine zu erwarten, die Ermittlungen übernimmt ein Priester aus dem Colca-Tal. Wer in der Altamerikanistik nicht allzu beschlagen ist, kann das Ganze vielleicht als Fantasy-Krimi ansehen, auch wenn keine Spur von Magie oder dergleichen vorkommt.

Die Ausgangssituation ist exotisch genug: Das Opfer wird getötet, kurz bevor es der zuständigen Gottheit geopfert werden soll. Das wäre eine Ehre für sie gewesen, und darauf beruhen die Motive der meisten Verdächtigen. Liebe spielt natürlich ebenso eine Rolle wie politische Intrigen. Schließlich versuchen die Inka, das Tal ihrem Imperium einzuverleiben. Nicht ganz unbeteiligt ist außerdem das Alpaka des mürrischen Ermittlers.

Ich höre rechtzeitig auf, bevor ich doch noch bei einem Spoiler lande. Wer auf dem vertrauten Vehikel Krimi eine detailreich vorgestellte andere Welt kennen lernen möchte, ist mit “Tod einer Andentaube” jedenfalls gut bedient. Und wer dabei seine Vorliebe für Inkas entdeckt, kann anschließend mit “Feuerschwingen” von derselben Autorin aus dem Verlag OhneOhren ins All aufbrechen.

 

Phantastische Heldinnen III

Mein Beitrag zur Blogreihe über phantastische Heldinnen befasst sich mit Frauen in eher heimatlichen Gefilden in nicht allzu ferner Vergangenheit – mit ein paar Eigenheiten.

Phantastische Heldinnen III

Als dieses Buch erstmals bei Heyne erschien, hat es mich als jugendliche Karl-May-Leserin sehr angelacht. Glücklicherweise habe ich den Kauf bis zur Neuausgabe über zehn Jahre später verschoben; so hatte ich deutlich mehr davon.

Ich lese Carl Amery gern wegen der Sprache(n und Dialekte), und weil sein Humor auf meiner Linie liegt, nicht wegen der handfesten Frauen in seinen Romanen. Die sind eher selten und außerdem ungleichmäßig verteilt. In Das Königsprojekt treten vor allem Deko-Frauen auf. In Der Untergang der Stadt Passau verteidigt eine Tapfere aus dem Gefolge des Schäffs ihre mechanische Nähmaschine bis zum letzten Kapitel. In Das Geheimnis der Krypta ist die Schwester des Helden immerhin die Gewährsfrau dafür, dass das Gold nach jeder Katastrophe wieder in den Händen der Banker landet. An den Feuern der Leyermark hat dafür gleich drei Frauen in größeren Rollen zu bieten – gKall, dTéres und bMaxi (hatte ich schon mal was von „Dialekt“ erwähnt?). Nach ihnen sind die drei Teile des Buches benannt, das außerdem „den Müttern und Großmüttern“ gewidmet ist.

Zum Inhalt

Wir befinden uns im Jahre 1866 nach Christus. Die Leyermark – Bayern, für die Bewohner*innen der hiesigen/jetzigen Realität – ist unter einem griechenbegeisterten König Radwig (I.) ungefähr bei Napoleon falsch abgebogen. In Amerika ist vor Kurzem der Bürgerkrieg zu Ende gegangen, in Deutschland bahnt sich der „Bundeskrieg“ gegen Preußen an. Ein aufstrebender Jurist im Kriegsministerium, einer der wenigen Englisch-Könner weit und breit, bestellt aus US-Armeebeständen 546 Godfrey Rifles, „excellently manned and serviced“. Die kommen mitsamt ihrer Bemannung und mischen den Laden ordentlich auf.

Bisher sind die Geschlechterrollen traditionell verteilt: Die Männer führen Krieg, bauen Maschinen, sind künstlerisch tätig und vor allem wichtig. Die Frauen kochen (gKall), singen im Kirchenchor und gehen beichten (dTéres) oder halten Po und Busen in die Kamera, äh, vor die Leinwand (bMaxi). Männer bündeln, Frauen bleiben für sich.

Das kann man als historisch-realistisch ansehen, muss man aber nicht. 1865 fand in Leipzig eine erste gesamtdeutsche Frauenkonferenz statt, bei der die Gründung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins beschlossen wurde. Davon findet sich in der vorliegenden Geschichte keine Spur. (Was damit zu tun haben könnte, dass reale Ereignisse bzw. Personen in der Regel als Vorlage für satirische Verfremdung dienen. Das wäre im Fall der „Leipziger Frauenschlacht“ nicht gerade originell.)

bMaxi

Die Frauen planen keine Revolution, sie nutzen jeweils die Möglichkeiten ihrer persönlichen Situation, um sich weiterzuentwickeln. Die stärkste Rolle hat in diesem Zusammenhang bMaxi, die am ehesten „modern“ wirkt. Nachdem sie vom angesagten Historienmaler in München entdeckt wurde, arbeitet sie sich weiter nach oben. Gutes Aussehen und lockere Moralvorstellungen mögen dabei helfen, aber bMaxi lernt – gute Umgangsformen und Französisch – und arbeitet – als Galeristin, die den eigenen Laden putzt -, um gesellschaftlich voranzukommen. Ihre serielle Monogamie wird als nicht weiter bemerkenswert dargestellt. Eine negative Bemerkung zum Thema dient vor allem dazu, den Sprecher als rückständigen armen Tropf zu charakterisieren. Sie hat ihren großen Auftritt als symbolische Anführerin der Revoluzzer-Delegation, die zwar nicht zum König vordringt, aber größten Eindruck macht.

dTéres

dTéres legt sich mit der Kirche an, der sie ihr Leben lang treu gefolgt ist. Aber nachdem sie die Reaktion mancher Würdenträger beobachtet, wenn nicht alles seinen gewohnten Gang geht, widersetzt sie sich. Letzten Endes auch ihrem Verlobten, dem sie ebenso lang gegen den Widerstand ihres Vaters die Treue gehalten hat. Die beiden trennen sich wegen weltanschaulicher Differenzen. dTéres wird zum Gegenstand einer kirchenrechtlichen Abhandlung (deren Inhalt im Off bleibt) und fördert damit die Karriere ihres früheren Beichtvaters. Ihre Zukunftsaussichten am Ende des Abenteuers werden über ihren Kopf hinweg von ebendiesem Beichtvater und einem freimaurerisch orientierten Pädagogen diskutiert. Die geneigte Leserin kann allerdings vermuten, dass dTéres ihren eigenen Weg zwischen den sich neu eröffnenden Möglichkeiten findet.

gKall

gKall kommt von den drei Frauen am schlechtesten weg. Ihre Abnabelung vom großen Bruder beruht auf Geld und einer Heirat. In ihrer neuen Rolle ist sie eher stille Teilhaberin als Gestalterin des Unternehmens. Der Autor schreibt ihr zwar „die revolutionärste Idee von allen“ zu, die wird aber in nur einem Absatz im großen Schlusstableau abgehandelt und erscheint, jedenfalls aus heutiger Perspektive, zu kurz gedacht.

Über den Roman ließe sich noch einiges schreiben, mindestens ein Artikel zum Thema Rassismus dürfte noch drinstecken, eventuell auch etwas zum Autor und zum gesellschaftlichen und spekulativ-literarischen Umfeld der Entstehungszeit. Hier geht es allerdings demnächst weiter mit Torchy Burns und ihren musikalischen Widersacherinnen in der Songkiller-Saga von Elizabeth Ann Scarborough.

Literatur:

Ute Gerhard, Unerhört – Die Geschichte der deutschen Frauenbewegung, Rowohlt 1990

Weltenbau – Ein Beispiel

Um mal wieder die Kurve zum Weltenbau zu kriegen, folgt hier eine kurze Rezension eines meiner Meinung nach gelungenen Beispiels: Der letzte Winter der ersten Stadt von Rafaela Creydt.

Verschiedene Kulturen

In dem Roman spielt das Zusammentreffen zweier verschiedener Kulturen eine große Rolle, die beide sinnvoll ausgearbeitet sind, ohne dass terranische Parallelen beim Lesen sofort ins Gesicht springen. Beides sind menschliche Kulturen, fantasy-typische oder auch untypische „Fremdrassen“ treten nicht auf. Vorurteile hegen die Efoni und Tagoren gegeneinander, da braucht es weder Orks noch Elfen.

Die beiden Völker haben eine gemeinsame Geschichte mit Krieg, Eroberung, Widerstand und Zusammenraufen in unterschiedlicher Ausprägung. Kaiserhaus (Tagora) und Königshaus (Efon) sind miteinander verwandt/verschwägert und intrigieren eifrig zum Wohl der einen oder anderen Seite. Wobei dahingestellt ist, welche Seite das sein könnte und wie viele überhaupt im Spiel sind. Was die gewöhnlichen Bürger davon halten, deren Leben nachhaltig davon beeinflusst wird, steht nochmal auf einem anderen Blatt. Oder genauer auf mehreren anderen Blättern, denn natürlich sind unterschiedliche Gruppen unterschiedlich betroffen. Also ganz, wie man es aus der terranischen Geschichte kennt.

Exotische Früchte oder Grütze?

Ein Punkt, in dem sich die Kulturen erkennbar unterscheiden, ist das Essen. Krai, die Hauptfigur, hat unter anderem die Aufgabe, die Königin zu verpflegen. Auf Staatsbesuch am Kaiserhof stößt er dabei auf Schwierigkeiten von der Beschaffung der Zutaten bis zum Unverständnis des Küchenpersonals und überhaupt der höfischen Organisation.

Gesang für höhere Mächte

Mehr Gemeinsamkeit kommt bei der Musik auf. Die Efoni ziehen in der tagorischen Hauptstadt Atai mit Trommeln, Flöten und Zimbeln ein, die Königin tanzt zu den gleichen Instrumenten. Später verschwinden die Zimbeln, Trommeln begleiten den allgemeinen Tanz am hohen Feiertag Ana gebiert die Welt, dazwischen erklingen Flöten. Im Großen und Ganzen wird zu diesem Tanz jedoch gesungen, nämlich das Lied der Sterne, das auch jeden Morgen die aufgehende Sonne begrüßt. Ebenso singt Krai, um sich mit den Geistern zu verständigen.

Nach Aussagen des Verlags und der Autorin spielt der Roman in derselben Welt wie Die Stadt am Kreuz – übrigens auch sehr empfehlenswert. Beim Lesen fällt das nicht besonders auf. Die Bücher können ohne Weiteres alleine stehen. Auch das spricht in meinen Augen für einen gelungenen Weltenbau. Weit von einander entfernte Regionen und verschiedene Epochen müssen sich nicht unbedingt berühren, beim typischen Stand der Technik von Fantasy-Welten wäre eher das Gegenteil erstaunlich.

Noch zwei Zitate zum Abschluss:
Neschka: „Wir sind alle mehr als ein Mensch, in uns drin, oder nicht?“

Krai: „Solange wir den gleichen Weg gehen, willst du mir vorwerfen, wenn ich tanze und ihr marschiert?“

Puffin-Zweisamkeit

Puffin-Zweisamkeit

Ich habe einen Liebesroman gelesen. Das ist nicht gerade mein üblicher Lesestoff, ich bin normalerweise eher auf der Suche nach Abenteuern. Da schleichen sich in letzter Zeit auch ständig Liebesgeschichten ein … aber dazu bei anderer Gelegenheit mehr.

Diesen Roman – Das Glück ist einen Flügelschlag entfernt von Stefanie Lahme – habe ich nicht durch einen unbedachten Facebook-Kommentar gewonnen, sondern ich wollte ihn lesen, weil mir die Fantasy-Romane der Autorin (Leanne Porter) gefallen. Außerdem spielt die Geschichte in Irland und der auf dem Cover zu sehende Puffin taucht im Roman tatsächlich auf.

Ich würde sagen, Experiment gelungen. Für mich waren das einige Stunden Lesevergnügen mit einem sympathischen, durchaus kantigen Pärchen. Die Heldin macht jedenfalls den Eindruck, als ob sie auch nach dem obligatorischen „Kriegen“ nicht in seinem Schatten verschwinden wird.

Das tragische Schicksal, das in letzter Zeit immer mal herhalten muss, damit die beiden sich nicht spätestens auf Seite zehn kriegen, kommt recht gedämpft daher. Es gibt heldenhafte Einsätze, ohne gleich die Welt zu retten, aber keine Sexszenen. Dafür jede Menge Alkohol, Diddeldididdeldi, ausgewogene Ernährung zwischen Pub Grub und Selbstverpflegung im Hostel, Wetter und Wolkentheater aller Art. Irland halt.

Inwiefern der Roman routinierten Liebesroman-Leser*innen zusagt, kann ich nicht beurteilen. Ich empfehle ihn jedenfalls als herzerwärmendes Lesefutter für Irland-Fans.

Das Korrektorat hat sich vornehm zurückgehalten, was aber wohl vor allem eingefleischten Erbsenzähler*innen auffällt.

Die 600+ Seiten, die tatsächlich zum Roman gehören, sind gut angelegt. Ob die anschließende Leseprobe für ein Buch einer anderen Autorin wirklich so lang ausfallen müsste, erscheint mir dagegen fraglich. Es könnte einfach damit zusammenhängen, dass Platz im E-Book nicht wirklich kostet.

Foto: Atlantic Puffin at Latrabjarg, Iceland von Aconcagua via Wikipedia, Cc-by-sa-3.0

Meistersinger in Mannheim

Nicht allzu lange nach der Marienvesper hat es mich noch einmal ins Nationaltheater verschlagen, diesmal in Die Meistersinger von Nürnberg. Der Titel fängt jeweils mit M an, beides findet im Opernhaus statt – das waren so ziemlich die Gemeinsamkeiten zwischen den Stücken.

Das Bild gewinnt

Wagner hatte die Meistersinger ursprünglich als komische Oper geplant. Vom Erfolg dieses Plans waren schon zeitgenössische Kritiker nicht unbedingt überzeugt. Bei der Mannheimer Aufführung geht die Komik meiner Meinung nach im Wesentlich auf das Konto des Regisseurs Nigel Lowery, zugleich auch Kostüm- und Bühnenbildner. Es finden sich allerlei popkulturelle Anspielungen, von den comicartig geschminkten Augen der Figuren bis hin zu Cat Content im ersten Bild des dritten Akts. Wer will, kann den Lehrkörper der Unischtbaren Universität zu Gericht sitzen sehen oder C. M. O. T. Dibbler auf der Festwiese entdecken.

Drei Frauen

Abgesehen von den weiblichen Lehrbuben stehen ganze drei Frauen auf der Bestzungsliste. Das sind immerhin 50 % mehr als üblich. Eva Wombach spielt auf einer kleinen Pedalharfe das Playback zu Beckmessers Ständchen im zweiten Akt auf der Bühne. Die pantomimischen Diskussionen zwischen der „Laute“ und ihrem wenig selbstkritischen Sänger können vermutlich etliche Hobbymusiker nachvollziehen. (Bin ich froh, dass meine Tröten nicht reden können.)

Die Enterprise und der Antisemitismus

Über die Frage, ob Beckmesser als Jude zu interpretieren ist, streiten sich die Gelehrten. Diese Auseinandersetzung wird auf der Bühne kurz abgehandelt, indem der Sänger am Rand des Geschehens erst mit Gebetsschal und Schläfenlocken, dann mit schwarzer Uniform und rot-weißer Armbinde (auf der gerade so kein Hakenkreuz zu sehen ist) ausstaffiert wird. Das ist ihm beides nicht genehm, er tritt letzten Endes im schwarzen Talar auf.

In der einschlägigen Literatur wird dargelegt, welche antisemitischen Klischees in der Figur und der ihr zugeordneten Musik enthalten sind. Möglicherweise konnten Zeitgenossen Wagners oder später rassenkundlich gebildete Zuschauer die Stereotype entsprechend einordnen (aber schon darüber gehen die Meinungen auseinander).

Heute geht die Tendenz wohl eher dahin, den kleinlichen Regelfuchser als typisch deutsch anzusehen. Also sitzen vermutlich einige Leute ebenso ratlos vor den musikalischen Elementen, die Beckmesser als Juden kennzeichnen sollen, wie vor dem „UFO“: Ein Modell der Enterprise schwebt über die Bühne und kündigt die Ankunft des Helden an. Das Stück funktioniert, soweit es funktioniert, auch wenn diese Hinweise nicht erkannt werden. Um die antisemitischen Klischees ist es jedenfalls nicht schade, wenn sie in ihrer Mottenkiste bleiben.

Ende der Ironie

Im dritten Akt kommt das bunte, wandelbare Bühnenbild besonders zur Geltung. Der Hintergrund der Festwiese erinnert von Weitem an die TFF-Grafiken. Zunächst herrscht dort auch ein buntes Gewusel von allerlei Gestalten. Aber nachdem die Enterprise noch einmal über die Bühne geschwebt und der Held, inzwischen der Weiße Kavalier, samt seinem ersungenen Preis entschwunden ist, wird das alles in den Hintergrund gedrängt. Der immer noch bunte, aber stärker uniformierte Teil des Chores steht in der ersten Reihe und ausgerechnet der deutschtümelnde Schluss kommt weitgehend ironiefrei rüber. Nach fünf Stunden Oper darf einem schon die Luft ausgehen, schade ist es trotzdem.

Literatur

Vazsonyi, Nicholas (Ed.). Wagner‘s Meistersinger – Performance, History, Representation. The University of Rochester Press. 2002.

Monteverdis Marienvesper in Mannheim

Das Nationaltheater Mannheim baut seit einigen Jahren an einem vierteiligen Monteverdi-Zyklus und hat als dritten Teil nach zwei Opern die Marienvesper ins Programm genommen. Sie wird allerdings weder konzertant noch als großes Oratorium aufgeführt, sondern szenisch.

Monteverdis Marienvesper in Mannheim

Ensemble, Chor und Kinderchor des NTM

Keine Vesper

Die Gelehrten sind geteilter Meinung darüber, welche Form der Aufführung Monteverdi wohl für seine Musik vorgesehen hätte. Möglicherweise ist diese Sammlung von Stücken, die in Stil und Besetzung teilweise weit auseinander liegen, gar nicht als eine aufzuführende Einheit anzusehen. Zwar lautet der Titel „Vespro della Beata Vergine“ und die vertonten Psalmtexte gehören zur Liturgie für Marienfeste. Trotzdem weist Monteverdi höchstselbst darauf hin, dass Teile der Sammlung nicht für den liturgischen Gebrauch geeignet sind.

Eine Theorie darüber, was das Ganze darstellen soll, besagt, dass es sich um eine Art Bewerbungsmappe handelt. Monteverdi war auf der Suche nach einer besseren Anstellung, bevorzugt im Kirchendienst statt an einem Fürstenhof, und wollte mit diesem Werk zeigen, welche musikalischen Ausdrucksformen er beherrscht. Möglicherweise ging es sogar darum, einen direkten Konkurrenten auszustechen.

Wenig skandalös

Das Stück auf die Opernbühne zu bringen entspricht also vielleicht nicht der reinen Lehre der historischen Aufführungspraxis, ist aber auch keine allzu abwegige Idee. Allerdings geht die Inszenierung von Calixto Bieito offenbar über frühere Ansätze in diese Richtung hinaus (Berlin 2007, Amsterdam 2017). Eine Handlung im engeren Sinn gibt es nicht, dafür nehmen die Gesangssolisten klar erkennbare Rollen an, die der Regisseur als Gestalten aus seiner Kindheit erklärt. Das Magnificat wird als „Lied von Revolution und Umsturz“ gedeutet, das Ganze als liturgisches Gedicht „über die Stärke der Frauen“ (Interview im Programmheft), was anhand der biblischen Texte zu verteidigen ist. Die Zeittafel im Programmheft reicht von König David über Monteverdis Leben bis zur FEMEN-Bewegung. Das dient als Erinnerung daran, dass gerade die Texte aus dem Alten Testament im Laufe der Zeit in immer neue Richtungen umgedeutet wurden.

Trotz der revolutionären Anklänge bleibt die Inszenierung wenig skandalös und ziemlich jugendfrei. Es fließt wenig Blut, eine nackte Brust – in Anlehnung an eine „Madonna mit Kind“ aus dem späten 15. Jahrhundert – ist das höchste der Gefühle. Hinzu kommt, dass auf der ringförmigen Bühne und den einbezogenen Logen immer mehrere Aktionen gleichzeitig laufen. Als Zuschauer*in „verpasst“ man notgedrungen das eine oder andere.

Die Musik gewinnt

Es lohnt sich außerem, neben der Action auf der Bühne auch den Orchestergraben im Auge zu behalten. Der Graben ist hier eher eine Grube in der Mitte der Bühne und das Orchester ist recht überschaubar. Es spielt das Ensemble Il Gusto Barocco unter der Leitung von Jörg Halubek auf historischen Instrumenten. Das kommt zwar in den letzten Jahren häufiger vor, aber oft erschöpft sich das Historische in der Anwesenheit eines Cembalos. Hier nicht.

Die Zupfinstrumente sind durch eine Harfe und zwei Lauten vertreten. Dafür nimmt eine Orgel mit Holzpfeifen breiten Raum ein. Ob sie für eine möglichst originalgetreue Aufführung eigentlich größer sein müsste oder ob die Kammerversion genügt, scheint in der Wissenschaft noch nicht ganz geklärt zu sein. In der aktuellen Inszenierung bildet das vorhandene Instrument jedenfalls eine ausgezeichnete Grundlage für das Ensemble.

An dem sind außerdem zwei Violinen,ein Lirone und ein Cello beteiligt. Auf der Bläserseite sitzen drei Posaunen und drei Zinken. Die Zinkenisten wechseln nicht nur mal eben schnell zwischen zwei verschiedenen Ausführungen ihres Instruments, sondern auch hin und wieder zur Blockflöte.

Trotz aller schauspielerischen Leistungen, trotz der einfallsreichen Inszenierung, trotz Bühnen- und Kostümbild gewinnt in meinen Ohren am Ende die Musik. Sie ist der ausschlaggebende Grund, sich die Aufführung anzusehen bzw. -hören. So wie es bei einem Roman um den Text geht und weniger um die Illustrationen oder das Cover.

Premiere war am 15. Dezember; weitere Termine: 25.01., 06.06. und 13.06.

 

Literatur

BOWERS, R. (2010). Of 1610: Claudio Monteverdi’s ‘Mass, motets and vespers’. The Musical Times, 151(1912), 41-46. Retrieved from http://www.jstor.org/stable/25759499

NTM – Marienvesper – Claudio Monteverdi, Programmheft, Dezember 2018, Redaktion: Dramaturgie Oper am NTM (Cordula Demattio)

Foto: Hans Jörg Michel

 

Lieder kann man nie genug haben

Die Liedhaber, in der neuesten Fassung auch Liadhaber, sind eine Deutschfolk-Band mit inzwischen zwei CDs voller spannend arrangierter Raritäten.

Es singen und spielen fünf Menschen auf allerlei mehr oder weniger gängigen Instrumenten:Hansjörg Gehring, Kontrabass, betreibt eine Kontrabass-Schule. Nebenbei spielt er auch diverse Dudelsäcke sowie Helikon, die aber auf den Liedhaber-CDs nicht zu hören sind.

Dagmar Held, Gesang, arbeitet für den Bayerischen Landesverein für Heimatpflege, beim Archiv für Volksmusik in Schwaben. Damit hat sie die ideale Ausgangsposition, um solche Schätzchen auszugraben.

Christoph Lambertz, Gesang, Klarinette, Böhmischer Bock, ist studierter Musikethnologe und Mitinitiator des Anti-Stadl-Festivals – noch Fragen?

André Schubert, Harfe, Smallpipe, betreibt die Klangwerkstatt und kommt mit seinen Harfen weit in der Weltgeschichte herum.

Johannes Sift, Geige, Harmonika, Bratsche, ist auch unter dem ansprechenden Namen Quetschendatschi bekannt. Wie man hört, quetscht er nicht nur, sondern geigt auch und unterrichtet an einer beruflichen Schule.

CD Nr. 1, Zugvögel, ist Jahrgang 2011 und damit nach Internet-Maßstäben schon fast prähistorisch. Sie enthält etwas altbekanntes Geflügel – „Kommt ein Vogel, Vogel hergeflogen“, „Wenn ich‘s ein Vogel wär“, „Es saß ein klein Wildvögelein“ – mit ungewohntem Gefieder, das auch erfahrene Birdwatcher interessieren dürfte. Dasselbe gilt auch für die anderen Titel, die von den Musikern zum Teil selbst gesammelt, zum Teil aus älteren Sammlungen ausgegraben wurden. Zu den Liedern und Balladen gesellt sich jeweils eine passende Tanzmelodie aus dem 18. oder 19. Jahrhundert. Quellen und Liedtexte sind im Booklet enthalten, was mich als Theorie-Nerd besonders freut.

Die Neuerscheinung Nachtfahrt zeigt, dass dieses Konzept noch längst nicht ausgelutscht ist. Von „Ich geh in finstrer Nacht“ bis „Gute Nacht, ihr lieben Freunde“ stammen die meisten Lieder aus ehemals von Deutschen besiedelten Gebieten in Südosteuropa. Wieder sind Varianten von bekannten Stücken enthalten, gerade ein bisschen anders, pfiffiger, so dass es sich lohnt, auf den Text zu hören. Aber das gilt sowieso immer, auch wenn der Dialekt nicht unmittelbar verständlich ist. Die Musik ist passend zum Inhalt arrangiert, von romantisch verliebt bis rabiat, von gehobenem Unsinn bis zum letzten Abschied.

Hörproben und Videos sind auf der Website der Band zu finden, ebenso die Termine für einige bevorstehende Live-Auftritte. Wer die Gelegenheit hat, hinzugehen, sollte sie wahrnehmen. Es wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit lohnen.

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén