Geschichten und Musik

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#Autor_innensonntag: Über welche Themen schreibe ich nicht?

Für den #Autor_innensonntag von Justine Pust fehlt hier noch ein Beitrag zu #facettenreichLesen, einer Aktion, die schon vor zwei Wochen stattgefunden hat. Da kam allerdings eine Anregung zur anderen, sodass erst jetzt ein Buch in dieser Sache auftaucht. Dabei geht es darum, über welche Themen ich schreibe und folglich indirekt auch darum, über welche nicht.

Über welche Themen schreibe ich nicht?

Das lässt sich kurz beantworten: romantische Liebe und komplizierte Beziehungen. Damit komme ich nur zurecht, wenn ein Abenteuer im Mittelpunkt der Geschichte steht. Ich versuche außerdem, Themen zu vermeiden, die allzu viel Negatives erfordern. Ein Happy End ist das allermindeste, aber auch unterwegs muss nicht an jeder Ecke Leid und Elend lauern.

Hier kommt die nächste Frage ins Spiel, der Titel des Buches zur Aktion #facettenreichLesen:

#Autor_innensonntag: Über welche Themen schreibe ich nicht?So you want to write about American Indians?

Die lässt sich ebenfalls kurz beantworten: nein. Auch nicht über andere Indigene der terranischen Nordhalbkugel (mal abgesehen vom Odenwälder Bergvolk, aber das ist eine andere Geschichte). Wenn ich Fantasy schreibe, und das kommt öfter vor, dann über Nomen, Gnarzer, Melegan, Fleckenköpfe, Limpviks, meinetwegen über Orks.

Warum dann dieses Buch? Gerade weil ich vermeiden will, in allzu viele Klischeefallen zu tappen. Es sollen sich möglichst wenige Leute beim Lesen fragen, ob Volk X „eigentlich“ die [Indigenen] sein sollen. Die Frage könnte aufkommen, weil ich nun mal einen bestimmten Erfahrungshintergrund habe (Odenwälder Bergvolk eben), der nicht unsere komplette Welt umfasst. Meine Abenteuer spielen aber an Schauplätzen, die geografisch, klimatisch, gesellschaftlich … anders sind.

Viel davon ist an terranische Verhältnisse angelehnt, und auf diesem schönen Planeten leben eine Menge Leute in Umgebungen, die denen meiner Figuren ähnlich sind. Die wissen sehr viel besser als ich, welche Probleme bestimmte Temperatur-/Wetterverhältnisse, Geländeeigenschaften … mit sich bringen und haben alltagstaugliche Lösungen dafür. Ihre Vorfahren haben die auch schon ohne Strom bzw. Verbrennungsmotor entwickelt. Also genau das, was meine Held*innen brauchen, und wenn ich eine glaubhafte Welt beschreiben will, schaue ich mir diese Lösungen an.

Da letzten Endes Fantasy werden soll, kommt irgendwann auch Magie ins Spiel, aber die eignet sich nicht unbedingt als Abkürzung für alles. Biologische Elemente passen oft besser. Und die „Monster“ sollten sich ebenfalls in die betreffende Umgebung einfügen.

Letzten Endes kann ich aber doch nur meinen Blickwinkel auf die Welt und ihre Figuren darstellen, auch wenn ich mir Mühe gebe, den zu erweitern oder auch mal zu drehen. Daher bietet Fantasy den passenderen Rahmen für optimistischen Eskapismus.

Der Brotjob – Bereicherung fürs Autor_innenleben?

Der Brotjob - Bereicherung fürs Autor_innenleben?… Darum geht es beim heutigen #Autor_innensonntag.

Mein Brotjob als Übersetzerin sieht dem Autor_innenleben in weiten Teilen ziemlich ähnlich. Dadurch kommen sich die beiden selten in die Quere. Die Frage nach der Bereicherung finde ich dagegen schwieriger zu beantworten.

Große Ähnlichkeit

Vom Übersetzen zum Schreiben zu wechseln ist keine große Umstellung. Es geht in beiden Fällen darum, Wörter zu dressieren, und dazu verwende ich ähnliches Werkzeug. Na gut, MemoQ oder Trados helfen beim Schreiben nicht wirklich weiter, Papyrus Autor beim Übersetzen – je nach Projekt – allerdings schon. Beides sind freie Berufe, daher ist der organisatorische Rahmen derselbe. Ich brauche nicht nachzufragen, ob ich einer Nebenbeschäftigung nachgehen darf. Buchmesse-Besuche oder Aktionen der BücherFrauen gehören ebenfalls zu beidem.

Wenig Begegnungen

Diese Ähnlichkeit hat allerdings auch gewisse Nachteile. Wenn ich ohnehin den ganzen Arbeitstag tippend vor dem Bildschirm verbracht habe, reicht die Energie nicht immer, um abends damit weiterzumachen. Außerdem fehlen Anregungen von außen und Live-Kontakte zu anderen Menschen. Die kommen zu normalen Zeiten durch meinen zweiten Nebenjob als Organistin oder durch Freizeitaktivitäten – Plotten beim Schwimmen, hatte ich das schon mal erwähnt? – und fallen jetzt komplett weg. Was planbar ist, lässt sich teilweise ins Netz verlagern, rein zufällige Interaktionen eher schlecht. Aber das ist eine Ausnahmesituation und soll sich gefälligst bald wieder ändern.

Anregungen

Gerade jetzt muss ich mir die Anstöße für neue Ideen verstärkt beim Übersetzen holen. Ja, auch in Kochbüchern lässt sich da etwas finden, noch mehr bei allgemeineren „Kultur“-Texten. Für das gerade abgegebene Historienprojekt habe ich mir Die Beschreibung der Welt von Marco Polo geholt – hat in dem speziellen Zusammenhang nicht allzu weit geholfen, könnte aber vielleicht in einer Fantasy-Geschichte enden. Der nächste historische Übersetzungsauftrag führt an die Ostsee, und ich bin sicher, dass dabei ebenfalls ein paar Anregungen herumkommen.

Ansonsten lese ich diverse aktuelle Quellen in meinen Ausgangssprachen. Dinge, die mich interessieren, habe ich abonniert, ich lasse mich aber auch gern vom Zufall hierhin und dorthin lenken. So sind mir zum Beispiel Elisa e Marcela zugelaufen. Einige weitere Themen liegen noch in der Schublade und könnten sich in Zukunft hier zeigen.

 

Leseprobe – Die Rooftop-Singers 1

Wie versprochen steht hier eine Leseprobe aus meinem frisch erschienenen Fantasy-Abenteuer „Die Rooftop-Singers“, in der sich unsere Helden als Helden erweisen und durch den Wald rasen.

Leseprobe - Die Rooftop Singers

 

Das komplette Buch gibt es direkt beim Machandel Verlag (E-Book in der Buchhandlung des Vertrauens, z. B. hier), mehr Lesestoff unter Geschriebenes.

 

Lesestoff – Verhandlungspartner 4

Heute wird der Lesestoff von gestern fortgesetzt: „Verhandlungspartner“ – Teil 4 einer SF-Geschichte aus dem vorigen Jahrhundert. Hier sind Teil 1, Teil 2 und Teil 3.

* * *

Aljoscha hatte seinen Kollegen nie geglaubt, wenn sie sagten, von einem Fun­ker würden übermenschliche Fähigkeiten verlangt. Gewöhnlich verbrachte er seine Zeit im Orbit damit, mit der Pilotin Stual Schach zu spielen. Wenn Stepian auch an Bord blieb, reichte es für ein ausgedehntes Durak-Spiel. Aber heute …

Erst hatte Miriam angerufen und für „den späten Nachmittag“ ein Trans­port­shuttle mit Sirup angefordert. Das war noch normal. Die Cresdecks reagierten auf Zucker und Ähnliches wie auf eine Droge, was sie in Aljoschas Augen gleich viel sym­pa­thischer machte. Für einen Vertragsabschluß konnte diese Vorliebe natürlich sehr praktisch sein. Aber dann hatte Miriam ihm ihr soeben er­fundenes Lely-Pro­jekt er­klärt. Es kostete ihn einige Stunden, sechs Wasser­bau­ingeni­eure in der näheren Um­ge­bung von Studhor ausfindig zu machen, die grund­sätz­lich bereit waren, bei der Trockenlegung eines Meeresarms mit­zuarbeiten. Bei vieren davon hielt sich so­gar die geforderte Be­zah­lung in dem von Tenzerpharma gesteckten Rahmen. Mit den beiden anderen verhandelte Aljoscha noch.

* * *

Da meldete sich Dr. Koneïda. Das kam sehr selten vor. Sie bat um ein Trans­port­shuttle mit einer Reihe von Medi­ka­men­ten und Geräten. Aljoscha verstand nicht viel von Medizin, aber das klang nach einem größeren Unfall oder gar einem Kampf. Er gab den Technikern die nötigen Anweisungen, wobei er sich mehrfach auf den Regel 18, Notfälle, berufen mußte. Natürlich war es gegen die Vor­schrif­ten, daß er irgend jemandem Instruktionen erteilte, und einen Ungläubigen wie ihn verwiesen die Neokaledonier besonders gern auf seinen Platz.

Aber Dr. Koneïda hatte noch mehr zu berichten. Die Direktoren, mit denen Miriam und Stepian verhandelten, hatten keinen frischen Ceresch-Tang zur Ver­fü­gung, denn die Erntearbeiter auf den Tangfeldern streikten gegen harte Arbeits­be­din­gun­gen und zu niedrige Löhne. Bewaffnete Einheiten des Konsortiums ver­such­ten, den Aufstand niederzuschlagen. Auch der Sirup, den die Techniker ge­ra­de ver­lu­den, war da­zu bestimmt, die Unruhen zu unterdrücken. Die Aufständischen waren ebenfalls bewaffnet, und sie planten, das Shuttle zu überfallen und den Sirup zu vernichten.

Aljoscha mußte den Transport verhindern. Bei seinem Verhältnis zu den Tech­nikern brauchte er dazu eine Anweisung des Kommandanten. Außerdem mußten die beiden Unter­händ­ler über die neue Lage informiert werden. Er überprüfte den Auto­dol der Protokolleinheit im Sitzungssaal. Nur die gängigen Handels­spra­chen wa­ren pro­grammiert. Sehr praktisch.

* * *

„Milotschka, posluschai minutku…“

Miriam erschrak, als sie die Stimme des Funkers hörte, und als sie verstand, was er sagte, wurde sie äußerst besorgt. Sie schaute Stepian an; offenbar hörte er ge­rade die gleiche Nachricht. Er schaute sie an.
Was jetzt? Sie hatten keine Gelegenheit, sich abzusprechen, ohne von den Cres­decks verstanden zu werden. Während Miriam noch fieberhaft überlegte, wie sie die Direktoren am besten hinhalten konnten, sagte Stepian laut und deut­lich auf In­terkosmo: „Stop­pen Sie den Sirup-Transport auf der Stelle. Dies ist ein Befehl des Kom­man­dan­ten.“

E N D E

Mehr Lesestoff findet sich unter Geschriebenes.

Lesestoff – Verhandlungspartner 3

Heute wird der Lesestoff von gestern fortgesetzt: „Verhandlungspartner“ – Teil 3 einer SF-Geschichte aus dem vorigen Jahrhundert. Hier sind Teil 1 und Teil 2.

* * *

Wie Miriam erwartet hatte, reagierten die Direktoren nicht begeistert auf den Vor­schlag, frischen Ceresch-Tang zu verkaufen. Der Direktor der Tang­trock­nungs­an­la­gen fürchtete um die Arbeitsplätze seiner Belegschaft. Der Ge­ne­ral­di­rek­tor sah sogar den Frieden auf Studhor in Gefahr. Miriam erinnerte die Herren da­ran, daß Tenzerpharma bisher der einzige Interessent für Frischtang sei und al­le Lie­ferungen streng geheimgehalten werden sollten. Nach längerem Feil­schen einig­ten sie sich, daß die ersten sieben Lieferungen je­weils ein Viertel Trocken­tang ent­hal­ten sollten. Für dieses Ent­ge­gen­kom­men verlangte der Direktor der Tang­trock­nungs­anlagen hundert Liter Orña-Sirup, lieferbar noch am glei­chen Tag. Der Ge­ne­raldirektor und der Handelsdirektor gaben sich mit jeweils fünfzig Litern zufrieden.

Nachdem dieses Hindernis überwunden war, konnten sie an die Preis­ver­hand­lun­gen gehen. Üblicherweise ließen sich die Cresdecks in medi­zi­ni­schen oder tech­ni­schen Geräten oder Informationen bezahlen. Miriam unterbreitete ihre Angebote, vier Projekte, die Tenzerpharma von vielversprechenden, aber wenig fordernden Me­dizinern ausarbeiten ließ.

Die Herren Direktoren diskutierten die Vorzüge und vor allem die Nachteile eines jeden Vorschlags ausführlich. Schließlich fanden sie an jedem Projekt einen Haken, der ihnen so schwerwiegend erschien, daß sie ablehnten.

Der Handelsdirektor machte einen Gegenvorschlag: „Wir haben vor, die Bucht von Llarung trockenzulegen, um einen Raumhafen zu bauen. Dort sollen Raum­schiffe direkt landen können, so daß der aufwendige Transport entfällt. Für die erste Phase des Projekts, die Trockenlegung, wäre uns die Mitwirkung Ihrer In­ge­nieure willkommen.“

* * *

In einer Bucht mit breitem Sandstrand fand Dr. Koneïda gleich mehrere ver­letzte Cresdecks. Auf den ersten Blick schienen sie die Opfer einer Messer­ste­che­rei zu sein. Einige gesunde Cresdecks fungierten als Wachen und Krankenpfleger; sie waren zum Teil bewaffnet und ließen sich nur mühsam überreden, die Außen­welt­le­rin zu ihren Kameraden zu lassen. Dr. Koneïda fühlte ihr Mißtrauen; einige von ihnen hegten äußerst finstere Pläne mit ihr.

Trotzdem wurde sie zu den Verletzten vorgelassen. Ihre Messerwunden wa­ren bereits ordentlich versorgt, und Dr. Koneïda hütete sich, dem Cresdeck-Hei­ler außerweltliche Wundermittel anzubieten. Er beobachtete jede ihrer Bewegungen ge­nau und war offenbar zufrieden mit dem, was sie tat.

Bei der genaueren Unter­su­chung der Patienten fand sie Ner­venschäden, die durch Elektrizität her­vor­ge­rufen worden waren. Der Fall war eine Nummer zu groß für ihr Arznei­kästchen. Für eine sinnvolle Be­hand­lung müßte sie die Cres­decks an Bord der Tinka VI bringen. Die Reaktion auf diesen Vor­schlag war je­doch äußerst ungehalten. Immerhin konnte der Heiler die Wachen davon abhalten, sie zu lynchen.

„Wer hat das getan?“ fragte sie, als ein Gespräch wieder möglich erschien.

* * *

Fortsetzung folgt.

Lesestoff – Verhandlungspartner 2

Heute wird der Lesestoff von gestern fortgesetzt: „Verhandlungspartner“ – Teil 2 einer SF-Geschichte aus dem vorigen Jahrhundert.

* * *

Während Ste­pian die Cresdecks be­schäf­­tigte, be­auf­trag­te sie ein inaktives Ter­mi­nal der Pro­to­koll­einheit, regelmäßig eine han­dels­prin­tische Fas­sung aller Ge­sprä­che in die Außen­welt­­ler­quar­tiere zu schicken. Dr. Koneïda soll­te wissen, was vor­ging, auch wenn sie sich auf Befehl des Kom­man­dan­ten von den Ver­hand­lun­gen fern­hielt. Stepian mißtraute den PSI-Fähigkeiten der Ärztin. Diese Haltung war aus der Ge­schich­te seines Volkes erklärlich, aber Miriam fand sie ein­fach un­praktisch.

* * *

Dr. Koneïda ging am Strand entlang. Sie hatte die ersten Jahr­hun­der­te ihres Le­bens weit im Binnenland verbracht und die See faszinierte sie noch im­mer, der Ge­ruch nach Salzwasser und Tang, das gleichmäßigen Rol­len der Wel­len und die grau-blauen Farben, in denen Himmel und Meer ver­schwam­men.

Nur wenige Schritt hinter ihr führten steile Felsen hinauf in das Innere der In­sel. Grau und kahl sahen die Berge aus; nur an geschützten Stellen ließen sich eini­ge wenige Pflanzen entdecken. Vielleicht hatte Dr. Koneïda noch Ge­le­gen­heit zu einem Ausflug dort hinauf, wenn die Verhandlungen länger dauerten.

Als der Wind an ihren langen schwarzen Haaren zauste und winzige Wel­len um ihre braunen Zehen spülten, war sie froh, daß Stepian ihr ver­bo­ten hatte, im Sit­zungssaal zu erscheinen. Auch wenn seine Gründe dafür eher fragwürdig waren.

Mehrere Personen waren in der Nähe. Draußen im Wasser, also wohl Cres­decks. Dr. Koneïda hatte die Aufzeichnungen über die Bewohner der Meere von Stu­d­hor ge­sehen und war neugierig, einige von ihnen kennenzulernen.

Die Wesen kamen tatsächlich näher; nicht weit von Dr. Koneïda robbten sie auf den Strand. Es waren drei. Offenbar nahmen sie die Außenweltlerin jetzt erst wahr. Sie blieb ste­hen und begrüßte die drei freundlich auf Interkosmo. Die Cres­decks hielten ebenfalls an. Einer von ihnen stieß ein paar gurgelnde Töne aus. Der Auto­dol hin­ter ihrem Ohr machte daraus eine höfliche Begrüßung. Dabei fühlte sie deutlich, daß die Cresdecks neugierig aber nicht gerade freundlich gesinnt waren.

„Ein Außenweltler am Meer – das wundert mich,“ sagte der Cresdeck, der auch vorhin gesprochen hatte.

„Ich bin Ärztin. Bei den Verhandlungen brauchen sie mich nicht.“

„Warum bist du dann da?“ Der Cresdeck wackelte mit dem Rüssel, offenbar ein Zei­chen, daß er sich amüsierte. „Haben die Außenweltler solche Angst vor uns, daß sie ihren Arzt mit auf den Planeten bringen müssen? Euer Schiff mit dem Zucker ist doch noch nicht gelandet.“

„Nein, und es landet auch nicht. Alles, was wir brauchen, wird mit dem Trans­port­shuttle gebracht.“

Der Cresdeck war mit dieser Antwort nicht sehr zufrieden und beharrte: „Dann habt ihr doch Angst vor uns!“

„Große Angst,“ lachte Dr. Koneïda und setzte sich hin. „Siehst du, wie ich mich fürchte? Wer seid ihr überhaupt, daß ihr meint, mich erschrecken zu können?“

„Wir gehören zur Sicherheitsabteilung dieser Insel.“

Das war gelogen. Die drei hatten die Wachen eher zu fürchten. „Keine Angst,“ sagte Dr. Koneïda, „ich verrate euch nicht. Ihr solltet jetzt eigentlich bei der Arbeit auf den Tangfeldern sein, stimmt’s?“

„Du kannst Gedanken lesen,“ sagte der Cresdeck unwillig. „Ihr Außen­welt­ler könnt einfach alles.“ Er erzählte seinen Begleitern, was er ent­deckt hatte.

„Ihr habt noch ein anderes Problem,“ fuhr Dr. Koneïda fort. „Kann es sein, daß ihr meine Hilfe braucht?“

Der Sprecher wollte nicht antworten. Aber die Gefühle eines zweiten Cres­decks waren deutlich genug. Dr. Koneïda fühlte in ihrer Tasche nach dem Arznei­käst­chen. Wenn Stepian davon wüßte, würde er sie auf Studhor zurücklassen. „Bringt mich zu eurem Kranken,“ sagte sie.

* * *

Fortsetzung folgt.

#Autor_innensonntag – Erstkontakt

Beim heutigen #Autor_innensonntag von Justine Pust ist nach dem Erstkontakt zu anderen Schreibenden gefragt. Das muss in irgendeinem Forum oder über eine Mailingliste gewesen sein, dachte ich.

Falsch. Es ging völlig analog vor sich, wie das vor 25 Jahren noch üblich war. In der Mensa des FASK in Germersheim (inzwischen umbenannt und umnummeriert) stieß ich auf die Zeitschrift Unicum und darin auf ein Kursangebot: fantastische Kurzgeschichten schreiben. Veranstaltungsort war die Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel, der Referent war Klaus N. Frick und die Gruppe teilte sich ziemlich genau hälftig in Perry-Rhodan-Fans und andere. Ich gehöre zu den anderen.
In Wolfenbüttel war ich später noch zu anderen Seminaren (und zur VdÜ-Jahrestagung; vielleicht klappt es ja nächstes Jahr wieder), die Schreibkontakte haben sich seit 1996 allerdings doch stark ins Netz verlagert.

Hier kommt noch ein Geschichten-Fragment, das damals entstanden ist, komplett mit alter Rechtschreibung.

* * *

Verhandlungspartner

Miriam Tols war mit ihrem jetzigen Auftrag zufrieden. Sie sollte auf Studhor für den Konzern Tenzerpharma frischen Ceresch-Tang einkaufen. Das war eine Neue­rung und konnte die Verhandlungen etwas ausdehnen, aber Miriam hielt sich für ausreichend vorbereitet. Sie hatte sich alle Auf­zeich­nun­gen von früheren Ver­trags­abschlüssen mit den Cresdecks an­ge­sehen und für eine Ladung Orña-Sirup gesorgt, damit sie an den richtigen Stellen schmieren konnte. Das Geschäft sollte in Zukunft regelmäßig abgewickelt werden. Das bedeutete sichere Einnahmen für die Tinka VI und ihre Mannschaft. Tenzerpharma zahlte vielleicht nicht über­mäßig gut, aber pünktlich.

Jetzt schritt Miriam gemeinsam mit dem Kommandanten Stepian Fe durch die auf der Landseite gelegene Tür des flachen Gebäudes, in dem sich die Ver­hand­lun­­gen zwi­schen dem Konsortium von Studhor und Außenweltlern für ge­wöhn­lich ab­spiel­ten. Die Luft im Sitzungssaal war außerordentlich ­feuch­t und warm. Aber Miriam hatte schon unter bedeutend un­gün­stigeren Um­stän­den verhan­delt.

* * *

Die drei Herren des Konsortiums robbten zur gegenüberliegenden Tür he­rein und begaben sich zu ihren flachen Liegen. Mit ihren lächerlich kurzen Bei­nen soll­ten sie wirklich nicht versuchen, aufrecht zu gehen. Miriam und Stepian lie­ßen sich auf den beiden Stühlen am entfernten Ende des Ver­hand­lungs­tisches nie­der. Offen­bar waren ihre Gesprächspartner nicht auf allzu große Nähe aus.

In der Regel sah für Miriam ein Angehöriger einer Fremdrasse aus wie der an­de­re, aber die drei Cresdecks stellten eine Ausnahme dar. Der auf der mitt­le­ren Lie­ge war von etwas dunklerem Grau als die beiden anderen und stellte sich gleich als Generaldirektor des Konsortiums vor. Den Namen ver­stand Miriam nicht rich­tig. Sie verließ sich darauf, daß die Pro­to­koll­ein­heit bei Bedarf die kor­rek­te Anrede ein­setzen würde. Die kurzen Flossen des Ge­neraldirektors waren bei jedem Wort in Be­wegung. Miriam staunte über die Biegsamkeit seiner dünnen Finger.

Auch die beiden anderen Herren stellten sich kurz vor. Der Han­dels­di­rek­tor brach­te mit seinem langen Rüssel besonders schöne Blubberlaute her­vor; der Di­rek­tor der Tangtrocknungsanlagen hatte leicht bräunliche Haut, die mit vielen Nar­ben bedeckt war.

Stepian stellte sich und Miriam vor, dankte dem Konsortium für den freund­li­chen Empfang und sprach seine Hoffnung auf eine allseits zu­frie­den­stel­len­de Eini­gung aus. Im Stillen amüsierte sich Miriam darüber, wie sehr er es genoß, seine Gala­uniform spa­zie­ren­zu­füh­ren und den Ster­nenadmiral zu spielen.

* * *

Fortsetzung folgt.

#Autor_innensonntag – Lektorat

#Autor_innensonntag - LektoratBeim heutigen #Autor_innensonntag geht es ums Lektorat. Dazu kann ich mich kurz fassen, denn ich habe gerade eins zu bearbeiten, das möglichst bald fertig werden sollte. Wetter ist auch optimal zum Drinnenbleiben, also ran an den Text.

Der Haken

Aber natürlich hat die Sache einen Haken. Denn das ist der Arbeitsschritt, vor dem ich mich am liebsten so lange wie möglich drücke. Eine Datei mit Rückmeldungen zu einem Text zu öffnen, kostet mich eine Menge Überwindung. Dabei stelle ich anschließend meistens fest, dass es gar nicht so schlimm ist.

Ja, klar, natürlich stimmen da verschiedene Dinge nicht, seien es Tippfehler oder mal ein fehlendes „nicht“. Vielleicht gibt es auch Meinungsverschiedenheiten zu der einen oder anderen Formulierung, vielleicht war meine erste Fassung zu blass oder zu umständlich. Das ist in der Regel schnell ausgebügelt.

Komplikationen

Aber manchmal stehen Platzhalter im Text, wo keine mehr sein sollten. Das kann schon schwieriger werden, denn die verselbständigen sich bei mir mitunter. Ich stelle mir zum Beispiel eine Figur in Anlehnung an Obelix vor und lassen den Namen erst einmal stehen. Kann man ja mittels Suchen und Ersetzen ausbügeln. Das führt aber ein paar Szenen später zu der Frage, warum diese Figur keinen Zaubertrank bekommen darf. Dafür sollte ich möglichst bald eine Erklärung finden, die nichts mit Kessel und reingefallen zu tun hat. Im Idealfall liefert mir das ein nützliches Detail zum Weltenbau. Im nicht so idealen Fall zieht sich die Sache durch die ganze Geschichte bis in die allerletzte Fassung, und ich raufe mir die Haare aus, um noch eine Lösung zu finden, die nicht mehr knirscht. Da ist die Versuchung groß, alles noch einmal aufzurollen und ganz anders zu machen. So erging es mir bei Buntspecht und Anton. Nach mehreren Kehrtwendungen ist die Geschichte trotzdem fertig geworden.

Jetzt ist das nächste Katzenabenteuer an der Reihe, von dem hier auch schon mehrmals die Rede war. Es enthält noch Knoten im Zeitablauf und vermutlich noch weitere Komplikationen, also gehe ich mal daran, die zu beheben …

#Autor_innensonntag – Schubladenprojekte

#Autorinnensonntag - SchubladenprojekteDas Thema zum heutigen #Autor_innensonntag von Justine Pust lautet Schubladenprojekte. Davon habe ich eine ganze Menge, auch wenn die wenigsten davon in der Schublade bzw. im Regal liegen, sondern elektronisch irgendwo verstaut sind. Viele davon grabe ich wieder aus und verwende sie als Grundlage für neue Geschichten und Welten – zum Beispiel Das Schwert des Wilden Landes.

Es gibt allerdings einen Entwurf, der wohl in diesem Stadium stecken bleiben muss, denn die Zeit hat ihn eingeholt. Er ist Mitte der 1990er entstanden, angeregt durch ein Erasmus-Semester in Spanien, und sollte in ferner Zukunft spielen, zum Beispiel 2021.

Heiliges Jahr

In diesem Jahr fällt der 25. Juli, der Jakobstag, auf einen Sonntag und in Compostela wird ein heiliges Jahr gefeiert. Wer an den nötigen Gottesdiensten teilnimmt, bekommt sämtliche zeitlichen Sündenstrafen erlassen, oder auch einen vollständigen Ablass. Traditionelle Pilger_innen sind zu Fuß, zu Pferd oder mit dem Fahrrad unterwegs. Also habe ich meine Heldin mit dem Liegerad losgeschickt. E-Bikes kamen damals zwar bereits auf, ich hatte sie allerdings noch nicht wirklich auf dem Schirm. Stattdessen wollte ich eine andere Zukunftstechnolgie einbauen, die um diese Zeit von sich reden machte, nämlich Virtual Reality.

Im Mittelalter war es nicht unüblich, andere Leute anstelle der eigentlich Büßenden auf Pilgerfahrt zu schicken, manchmal erst nach dem Tod der betreffenden Person; das wurde zum Beispiel in Testamenten verfügt. An diese Gepflogenheit habe ich angeknüpft. Die Auftraggeberin meiner Heldin sollte allerdings noch leben und zu Hause im Pflegebett mitverfolgen, was ihre Stellvertreterin unterwegs anstellt. Dass diese sich nicht in allen Lebenslagen mustergültig fromm verhalten würde, war mir schon klar. Ebenso sollten die potenziellen Erb_innen und die beteiligten Pflegekräfte von der Aktion nur teilweise begeistert sein. Weiter bin ich mit der Entwicklung des Konflikts nicht gekommen, auch nicht, als ich die Geschichte im Windschatten von Ich bin dann mal weg wieder aufbacken wollte.

Idee freigegeben

Inzwischen ist mir klar, dass ich die Geschichte nicht mehr schreiben werde, obwohl ich die Idee immer noch mag. Wenn jemand mit mehr Verstand von den aktuellen technischen Möglichkeiten sich davon inspiriert fühlt – bitte sehr, bedienen Sie sich.

Mein damaliger Besuch in Compostela hat zudem in einer anderen Geschichte Spuren hinterlassen, die a) fertig und b) auch veröffentlicht wurde: Die Herrin der Insel. Und der dekorative Gaitero, der mich überhaupt dahin gelockt hat, bekam einen eigenen NaNo-Roman – aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.

* * *

Literatur: Norbert Ohlert, Pilgerstab und Jakobsmuschel, Patmos Verlag, 2000.

Bild: Hannes Rohringer via Pixabay

Weihnachtsgeschichte: Meister Pérez der Organist 4

Es folgt eine Weihnachtsgeschichte aus Spanien: „Meister Pérez der Organist“ (Teil 4 und Schluss) von Gustavo Adolfo Bécquer (1836-1870) in meiner Übersetzung, leicht bearbeitet. Die ersten drei Teile finden sich hier, hier und hier.

Weihnachtsgeschichte: Meister Pérez der Organist

IV

Ein weiteres Jahr war ins Land gegangen. Die Äbtissin des Klosters Santa Inés und die Tochter von Meister Pérez sprachen leise miteinander, halb verborgen im Schatten des Chors ihrer Kirche. Das Glöckchen rief die Gläubigen mit schwacher Stimme vom Turm herab, und gelegentlich durchquerte eine Person den stillen, verlassenen Vorhof, tauchte die Finger ins Weihwasser und suchte sich einen Platz in einer Ecke des Kirchenschiffs, wo einige Anwohner des Viertels geduldig darauf warteten, dass die Christmette begann.

„Ihr seht ja“, sagte die Oberin, „Eure Furcht ist ausgesprochen; es ist niemand in der Kirche. Ganz Sevilla geht heute in die Kathedrale. Spielt nur die Orgel, spielt nur mit dem nötigen Selbstvertrauen; wir sind unter uns … aber … Ihr schweigt noch, Eure Seufzer reißen nicht ab. Was bedrückt Euch?

„Ich habe … Angst“, rief die junge Frau tief bewegt.

„Angst! Wovor?“

* * *

„Ich weiß es nicht … vor etwas Übernatürlichem … Gestern Abend habe ich Euch sagen hören, dass ich bei der Messe die Orgel spielen sollte, und voller Hochmut über diese Auszeichnung wollte ich die Register warten und stimmen, um Euch heute überraschen zu können … Ich betrat den Chor … ganz allein … öffnete die Tür, die zur Empore führt … In diesem Augenblick schlug die Turmuhr der Kathedrale … ich weiß nicht, welche Stunde … Aber die Glockenschläge klangen traurig und es waren viele … sehr viele … die Uhr schlug die ganze Zeit, und ich stand wie angewachsen in der Tür, es kam mir vor, als wären es hundert Jahre.

Die Kirche war dunkel und verlassen … Weit weg, im Hintergrund leuchtete, wie ein verlorener Stern am Nachthimmel, ein verlöschendes Licht, das in der Ampel am Hauptaltar brennt … In seinem schwachen Schein, der tiefen, schrecklichen Schatten nur noch sichtbarer machte, sah ich … ich habe ihn gesehen, Mater, glaubt mir … einen Mann, der schweigend mit dem Rücken zu mir saß, eine Hand ließ er über die Tasten der Orgel gleiten und mit der anderen zog er die Register … und die Orgel spielte; aber der Klang war unbeschreiblich. Jeder Ton schien mir wie ein erstickter Seufzer in den Pfeifen, er vibrierte mit der Luft, die ausströmen wollte, aber es kam nur ein dumpfer, kaum hörbarer Klang.

Und die Uhr der Kathedrale schlug noch immer die Stunde, und dieser Mann drückte noch immer die Tasten. Ich hörte sogar seinen Atem.

Die Angst ließ mir das Blut in den Adern gefrieren; mein Körper fühlte sich an wie Eis und meine Schläfen brannten … Ich wollte schreien, aber ich konnte nicht. Dieser Mann hatte sich umgedreht und schaute mich an … nein, das war falsch, er konnte mich nicht anschauen, denn er war blind … Es war mein Vater!“

„Ach, Schwester, vertreibt diese Hirngespinste, mit denen der böse Feind unsere schwachen Seelen stören will … Betet ein Paternoster und ein Ave Maria zum Erzengel Michael, den Herrn der himmlischen Heerscharen, dass er Euch gegen die bösen Geister beisteht. Legt Euch einen Anhänger um den Hals, der die Reliquie des Heiligen Pachomius berührt hat, der Schutzpatron gegen Versuchungen, und geht, geht hinauf zur Orgelempore; die Messe fängt gleich an, die Gläubigen warten schon … Euer Vater ist im Himmel, und er wird Euch gewiss nicht erschrecken, sondern herabkommen, um seine Tochter für diese Zeremonie zu inspirieren, die ihm immer so viel bedeutet hat.“

Die Äbtissin nahm ihren Platz im Chor zwischen den Klosterschwestern ein. Die Tochter des Meisters Pérez öffnete mit zitternder Hand die Tür zur Empore, setzte sich auf die Orgelbank und begann die Messe.

* * *

Die Messe lief ab, ohne dass etwas Bemerkenswertes geschah, bis der Augenblick der Konsekration kam. Da erklang die Orgel und zugleich ein Aufschrei der Tochter von Meister Pérez …

Die Äbtissin, die Nonnen und ein paar Gläubige liefen zur Empore.

„Schaut! Da ist er!“, sagte die junge Frau, die weit aufgerissenen Augen fest auf die Orgelbank gerichtet. Sie selbst war erschrocken aufgesprungen und hielt sich an der Balustrade der Empore fest.

Alle richteten den Blick auf dieselbe Stelle. Die Orgel war verlassen, und trotzdem spielte sie weiter … sie klang, wie nur die Erzengel es konnten, aufgehend in ihren mystischen Jubel.

* * *

„Hab ich es Euch nicht tausendmal gesagt, Doña Baltasara, hab ich es Euch nicht gesagt! … Hier geht es nicht mit rechten Dingen zu! … Hört nur. Was, Ihr wart heute nicht in der Christmette? Aber Ihr sollt trotzdem erfahren, was geschehen ist. Ganz Sevilla redet von nichts anderem … Der Herr Erzbischof ist außer sich, und das mit gutem Grund … Er ist nicht mehr nach Santa Inés gegangen; er hat das Wunder nicht miterlebt … und wofür? Um grässlichen Lärm zu hören; denn Leute, die es gehört haben, sagen, dass dieser vermaledeite Organist von San Bartolomé nichts anderes zustande gebracht hat … Wenn ich es Euch sage. So etwas hätte dieser Fatzke niemals spielen können, der Lügner … Hier geht es nicht mit rechten Dingen zu, und was hier umgeht, ist die Seele von Meister Pérez.“

E N D E

Bild: Ed Schipul via Flickr, CC BY-SA 2.0

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