Ab heute gibt es neuen Lesestoff aus der Reihe „Optimistischer Eskapismus“: „Das Gold des Leprechauns“, Teil 1 der phantastischen Kurzgeschichte von Nora Meister. Auch hier geht es unter Wasser – und wieder zurück, bevor das Himbeereis schmilzt.
„Tschüss! Bis nächste Woche!“ Ich verabschiedete mich von der Bedienung der Bäckerei und wuchtete meine voll beladene Tasche in die Arme meines Mannes.
Der stöhnte gequält auf: „Was hast du denn jetzt schon wieder gekauft? Das können doch nicht nur zwei Brote sein!“
Nein, da hatte er recht … Die würden aber auch nicht für eine ganze Woche reichen. Ich zuckte also mit den Achseln und lief die Straße hinauf. Dabei summte ich eine Melodie, die mir den ganzen Morgen im Kopf herumschwirrte. Oder sollte ich besser „quietschte“ sagen? Immerhin war es eine Dudelsack-Melodie. Ich hatte es eilig, wenn ich mich nicht irrte, müsste die Eisdiele schon geöffnet haben. Fragend sah ich zu meinem Mann auf, der stöhnte schon wieder. Doch Maurizio, der Besitzer der Eisdiele, hatte uns schon erspäht. „Nora, Simon! Schön, dass ihr da seid! Einmal das Übliche? Ein Spaghetti-Eis und eine Mischung vom Fruchteis?“
Welche Frage, natürlich, was denn auch sonst. Wir stellten unsere Bäckertasche ab, ich kramte nach den letzten Resten meines Kleingelds. Da kam Maurizio auch schon zurück an die Theke, seine Frau begrüßte uns aus den Tiefen ihres Geschäfts und winkte uns fröhlich zu.
„Ich habe ein kleines Experiment mit den Fruchteis-Sorten gemacht. Sie sind jetzt eher Sorbet, vor allem bei Mango und Himbeere. Ich hoffe, das schmeckt dir ebenso gut wie sonst auch. Sag mir Bescheid, ob ich das so lassen kann“, flüsterte Maurizio, als er mir meinen Eisbecher überreichte. „Habt einen schönen Tag. Die Sonne scheint, das muss man doch genießen!“
Wir bedankten uns und machten uns auf den Heimweg. Mango- und Himbeersorbet, interessant. Diese Mischung hatte ich zuletzt vor zwei Jahren in den Flitterwochen gegessen. Damals hatten wir fast acht Euro für vier Kugeln Eis bezahlt. Tja, Irland war eben ein teures Pflaster. Allerdings hatte es sich gelohnt, das kulinarische Vergnügen war enorm lecker gewesen. Derart in Gedanken an die Vergangenheit löffelte ich mein Eis. Es erinnerte mich wirklich sehr an das irische Pendant. Und mein Ohrwurm dudelte eine passende Melodie dazu.
Mein Mann erklärte mir, wie er sich das Judo-Training für die nächsten Wochen so vorstellte, es klang ähnlich wie in den letzten Wochen, ich lauschte derweil der Musik an meinem inneren Ohr. Die Sonne schien mir warm ins Gesicht, ich schloss die Augen und streckte die Nase in den Wind. Ich roch sogar das salzige Wasser von Kenmare wieder, als wäre ich zurück in Irland. Und hörte meinen Ohrwurm lautstark quäken.
Plötzlich hörte ich eine ungeduldige Stimme, die in einer fremden Sprache vor sich hin schimpfte. Ich öffnete die Augen und erschrak. Mein Mann war verschwunden! Und die Straße! Der Berg, die Burg, die Kirchen …
* * *
Fortsetzung folgt.
Weiteren optimistischen Eskapismus gibt es hier, hier und ab hier.
Die Autorin: Nora Meister, Baujahr 1992, konnte sich in frühen Jahren nicht allzu sehr fürs Lesen begeistern. Eigene Geschichten über schulpflichtige Schnecken verfasste sie allerdings schon im Grundschulalter. Im Laufe der Zeit gewann auch das Lesen für sie an Bedeutung, sodass sie nun Herrin über ein brechend volles Bücherregal ist. Ihr verworrenes Leben mit Studium, Judo, Ehemann und viel zu vielen Tieren entwirrt sie, indem sie noch immer Geschichten schreibt: mittlerweile ohne Schnecken, dafür mit (viel zu viel) Fantasie. Auch wenn sie von fernen Inseln träumt, lebt und schreibt sie doch am liebsten im schönen Odenwald, wo denn auch sonst?
Bild: via Wikipedia, CC BY-SA 3.0
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