Geschichten und Musik

Schlagwort: Renaissance

Tag der Hülsenfrüchte

Tag der HülsenfrüchteDiese Woche war Tag der Hülsenfrüchte, um genau zu sein am 10. Februar. Die halten sich bekanntlich recht gut, also kann ich sie auch heute noch auftischen. Außerdem sind sie schon recht lange im Geschäft und werden auf absehbare Zeit vermutlich nicht verschwinden, eher im Gegenteil.

Bohnen, Erbsen, Linsen

Ackerbohnen, Erbsen und Linsen wurden hierzulande ab der Jungsteinzeit, spätestens der Bronzezeit angebaut. Die Verbreitung richtete sich danach, welche Art in welchem Gelände am besten zurechtkam. Bohnen mögen zum Beispiel auch leicht salzigen Boden. Sie dienten getrocknet als haltbares und eiweißreiches Grundnahrungsmittel, das auch „einfachen“ Leuten meist gut zugänglich war. (In Griechenland gab es allerdings auch einen Gott, Kyamitos, dem man Bohnen opferte). Ebenso mussten sie und das dazugehörige Stroh für das Vieh herhalten. In der Fruchtfolge der Dreifelderwirtschaft spielten Erbsen als Gründüngung eine Rolle.

Die Ackerbohne (Vicia faba) bekam in der Renaissance Gesellschaft aus der so genannten „Neuen Welt“. Dort wurden die Phaseolus-Arten schon ungefähr ebenso lang kultiviert wie Vicia & Co. in der alten. Die Feuerbohne (Ph. coccineus) ging zwar eine Zeitlang wegen ihrer roten Blüten als Zierpflanze durch, aber im Gegensatz zu anderen bis dahin unbekannten Lebensmittelpflanzen war den Leuten in Europa relativ schnell klar, was man mit ihnen anfangen kann. (Ein Rezept zum Thema gibt es hier.)

Im Gegensatz zu den wirtschaftlich erfolgreicheren Bohnen und Erbsen wurden Linsen seit der ersten Hälfte des 20. Jahrunderts in Deutschland nicht mehr angebaut. In den letzten Jahren werden sie allerdings im Bio-Landbau wieder eingeführt.

Kicherebsen

Meines Wissens noch nicht wieder aufgetaucht ist die Kichererbse. Sie war seit der Römerzeit in Deutschland bekannt, auch wenn die in Ausgrabungen gefundenen Spuren vermutlich auf Importe aus Italien zurückgehen.

Da die Benennungen von Pflanzenarten in alten Handschriften oft etwas durcheinander gehen, sind urkundliche Erwähnungen von Kichererbsen aus dem Mittelalter mit Vorsicht zu genießen. Heutige Anhänger_innen der Hildegard-Küche sind allerdings davon überzeugt, dass Kichererbsen nach ihrer Lehre die besten aller Hülsenfrüchte sind. Handelsbeziehungen aus dem Süden wären auch da eine mögliche Erklärung. Eventuell hat auch die „mittelalterliche Warmzeit“ ein wenig nachgeholfen. Gerüchteweise wurden im 19. Jahrhundert zwei Sorten Kichererbsen in Deutschland angebaut, eine davon mit schwarzen Samen. Die sollen nach dem 1. Weltkrieg noch als Kaffee-Ersatz gedient haben.

Da die Kichererbse sich auch unabhängig von Hildegard in der Küche wachsender Beliebtheit erfreut und in Zukunft wohl eher mit höheren Temperaturen zu rechnen ist, könnte der Anbau auch hierzulande wieder zunehmen.

Literatur

  • Gottfried Hertzka/Wighard Strehlow, Küchengeheimnisse der Hildegard-Medizin, Verlag Hermann Bauer, 1998
  • Udelgard Körber-Grohne, Nutzpflanzen in Deutschland – Kulturgeschichte und Biologie, WBG 1987
  • Ernst Schubert, Essen und Trinken im Mittelalter, WBG, 2006
  • Marin Trenk, Döner Hawaii – unser globalisiertes Essen, Klett Cotta, 2015

Mensuralnotation – Workshop-Nachlese

Mensuralnotation - Workshop-Nachlese

Dies ist die Nachlese zu einem Workshop mit dem Thema „Weiße Mensuralnotation“, organisiert von der Capella della Torre. Musikkurse im echten Leben sind derzeit eher Mangelware, auch dieser hat online stattgefunden.

Für das ziemlich theorielastige Thema hat dieses Format gut gepasst. Schade ist es natürlich, dass die anderen Mitspielenden und ihre Instrumente über weite Strecken nicht zu hören waren. Um “richtig” zusammen zu spielen, wäre wohl mehr technischer Aufwand nötig gewesen, als sich für einen Samstagnachmittag lohnen würde.

Ebenso schade ist es, die anderen Teilnehmer:innen, wenn, dann nur als kleine Kacheln auf dem Bildschirm zu sehen. In den Pausen miteinander quatschen führt eher zum Kennenlernen. Andererseits waren Leute aus sehr verschiedenen Ecken dabei, von denen einige vielleicht nicht unbedingt live angereist wären. Also wenn schon Zoom-Konferenz, dann am liebsten eine mit Musik.

Es war nicht ganz das erste Mal, dass ich mit Noten in diesem Format zu tun hatte. Allerdings liegen immer ziemlich lange Pausen zwischen den einzelnen Begegnungen, und ich vergesse in der Zeit mehr, als ich im letzten Kurs gelernt habe. Deshalb klebe ich jetzt eine kleine Gedächtnisstütze hier hin.

Notenschlüssel

Das erste, was einem auf der Notenzeile begegnet, ist der Schlüssel. Davon gibt es einige ansprechende Formen zur Auswahl.

Dies ist ein dekoratives, aber harmloses Exemplar, der weithin bekannte Bassschlüssel. Auf der zweiten Notenlinie von oben sitzt wie gewohnt ein f.

Hier folgt der Tenorschlüssel. Er markiert die zweite Linie von oben als c. (Üblicherweise werden die Notenlinien allerdings von unten gezählt und der c-Schlüssel auf der vierten Linie als c4 abgekürzt.) Die abgebildete Note ist jedenfalls ein a.

In einer handelsüblichen Partitur würde die Tenorstimme in der Notenzeile über der Bassstimme stehen. In den Chorbüchern der Renaissance taucht sie auf der gegenüberliegenden Seite unter der Cantusstimme auf.

Die nächsthöhere Stimme ist der Altus. Er erscheint oberhalb der Bassstimme und wird dargestellt mit einem weiteren c-Schlüssel, der diesmal auf der dritten Notenlinie sitzt (also c3). Die abgebildete Note ist demnach ein d.

Jetzt fehlt noch die höchste Stimme, der Cantus, heutzutage eher als Sopran bekannt. Sie hat ebenfalls einen c-Schlüssel, auf der ersten Notenlinie (c1). Auf dem Bildchen ist folglich ein g zu sehen.

Damit es nicht zu einfach wird, gibt es zur Darstellung der gleichen Tonlage auch noch einen g-Schlüssel. Der sitzt nicht, wie man es heute für Sopranstimmen gewöhnt ist, auf der zweiten Notenlinie, sondern auf der dritten (also g3). Die abgebildete Note ist also ein d.

Um die Tonhöhe genauer anzugeben, werden mitunter auch Vorzeichen gebraucht. Das b sieht genauso aus wie heute noch üblich, steht oft schon am Beginn der Notenzeile und hilft bei der Orientierung. Kreuze dagegen sehen schräger aus als gewohnt:

Am Ende einer Notenzeile findet sich in der Regel eine weiteres hilfreiches Zeichen, das heute nicht mehr üblich ist, der Custos. Er zeigt an, auf welcher Tonhöhe es in der nächsten Zeile weitergeht.

Takt

Nach dem Notenschlüssel steht erfahrungsgemäß das Taktzeichen. Die linke Variante sieht einigermaßen bekannt aus, nach “Alla breve”. Es nennt sich Tempus imperfectum und zeigt an, dass der ganze Takt in zwei Schläge unterteilt wird und diese beiden wieder in zwei Schläge.

Der vollständige Kringel auf dem Bild rechts heißt entsprechend Tempus perfectum und wird in drei Schläge unterteilt.

Notenwerte

Damit landen wir bei den Notenwerten. Die Übertragungen von Renaissance-Stücken in moderne Notenschrift sehen oft sehr entspannt aus, mit vielen ganzen und halben Noten, dafür praktisch ohne Balken. Die ganze Note (Brevis) steht für einen Takt, also zwei oder drei Schläge, siehe oben. Das abgebildete Modell ist aus einer Cantus-Stimme im c3-Schlüssel geklaut, es handelt sich also um ein e. Passend dazu gibt es auch eine Pause: ein Zwischenraum durchgezogen, auf der Abbildung der linke Strich.

In der modernen Notation ist die ganze Note oft die längste, die überhaupt in einem Stück auftaucht. Warum nennt sie sich hier ausgerechnet “Brevis”, also kurz? Weil es noch eine Longa gibt, die zwei Takte darstellt. Sie bekommt einen Hals an der rechten Seite. Die Pause dazu zieht sich über zwei Zwischenräume. Hier rechts sind also zweimal zwei  Takte Pause zu sehen.

Das Pausen-Bildchen zur Brevis enthält zusätzlich die nächstkleinere Einheit, die Semibrevis (der Mini-Strich rechts). Sie wird als ein Schlag gezählt. Die Note dazu ist links zu sehen (ebenfalls c3-Schlüssel, also ein a, wie weiter oben schon angemerkt).

Die Semibrevis und ihre Pause sind ein Anlass, die Lesebrille zu polieren und genau hinzuschauen. Es gibt nämlich auch punktierte Semibreven. Das sieht dann so aus:

– nicht zu verwechseln mit    oder 

Zum Schluss fehlen noch zwei wichtige Notenwerte, die Minima (links) und die Semiminima (rechts). Wie man sieht, haben sie bereits die Angewohnheit, die Hälse je nach Lage nach unten bzw oben zu strecken:

    < Minima   Semiminima>  

So, hier steht alles schön auf einer Reihe. Ich hoffe, ein bisschen bleibt auch im Gedächtnis und lässt sich herauskramen, wenn es wieder gebraucht wird.

 

Schwäbisch Haller Sackpfeifertage 2021

 

Schwäbisch Haller Sackpfeifertage 2021Heute hat in den betreffenden Gegenden die Fastnachtssaison begonnen. Deshalb gibt es hier, für Leute, deren Optimismus so weit trägt, einen Hinweis auf das Ende dieser Jahreszeit: Die Schwäbisch Haller Sackpfeifertage 2021 sind ausgeschrieben. Vom 12. bis 15. Februar (Rosenmontag) wird auf der Comburg ein etwas reduziertes Kursprogramm angeboten.

Update: Die Veranstaltung ist verschoben auf das Himmelfahrtswochenende, 13. bis 16. Mai 2021.

#MedRen2020 – Mittelalter- und Renaissancemusik

#MedRen2020 - Mittelalter- und RenaissancemusikHeute habe ich ein paar Stunden bei MedRen2020 zugebracht, der Konferenz über Mittelalter- und Renaissancemusik, die in Edinburgh hätte stattfinden sollen. Ein Vorteil der Online-Veranstaltung besteht darin, dass man sich heute die Vorträge von gestern und morgen anhören kann. Man kann auch, ohne Aufsehen zu erregen, einen Vortrag verlassen, der vielleicht doch nicht spannend ist, wie sich der Titel anhört. Dann kriegt man das Alternativprogramm trotzdem noch von Anfang an mit. (In dieser Hinsicht könnte es sich als positiv herausstellen, dass auch der BuCon in diesem Jahr online stattfinden soll.)

Jedenfalls gab es bei der Konferenz und sogar am Rand, nämlich über Twitter, allerlei Interessantes zu hören. In der Reihe über England in der Frühen Neuzeit bin ich relativ oft auf das oben beschriebene „Problem“ gestoßen, dass der Titel sich spannender anhörte als der Vortrag. Vielleicht fehlt mir dazu einfach der Hintergrund, um die Einzelheiten richtig einzuordnen. Möglicherweise lag es auch an der jeweiligen Redezeit, denn in fünfzehn bis zwanzig Minuten können nicht alle interessanten Fragen zu einem Thema umfassend behandelt werden.

Nürnberg

Das machte sich auch bei dem einen oder anderen Vortrag über die musikalischen Aktivitäten in Nürnberg im 16. Jahrhundert bemerkbar. Da ging es zum Beispiel (bei Frauke Jürgensen) um Hartmann Schedel und sein Liederbuch, in dem sich Schlager aus verschiedenen Teilen Europas zusammengefunden haben. Deren Weg durch die einzelnen Regionen nachzuvollziehen, wäre eins dieser „rahmensprengenden“ Themen.

Daneben stellte Helen Coffey Leben und Werk des Stadtpfeifers Hans Neuchel vorgestellt, der offenbar nicht nur bei diversen deutschen Fürsten größeren Eindruck machte, sondern auch bei Papst und Kaiser. Er war außerdem Instrumentenbauer. Seine Trompeten und Posaunen waren so gefragt, dass seine Kunden teilweise einige Jahre auf ihr bestelltes Instrument warten mussten … ein Problem, das auch heute noch gelegentlich auftreten soll.

Aus Nürnberg stammen etliche wichtige Quellen für die Musikwissenschaft dieser Zeit, unter anderem die Rechnungsbücher und anderen offiziellen Dokumente, die Auskunft über Herrn Neuchel und seine Geschäfte geben. Zudem wurde in dieser Stadt reichlich gedruckt, und offenbar in größerem Ausmaß auch von Frauen. Susan Jackson präsentierte eine beeindruckende Liste von selbständigen Buchdruckerinnen, denen einige bekannte Musiksammlungen zu verdanken sind. Nicht namentlich bekannt sind diejenigen, die schon für die Reformation eintraten, bevor es cool war, und dafür im Gefängnis landeten.

Mittelalter und anderes

Bei den eher mittelalterlichen Themen ging es zum einen um die Kreuzzüge – auch damals waren es schon „die Anderen“, die Lärm machten, während „unsere“ Leute wohlklingende Musik spielten. An anderer Stelle wurden die Cantigas de Santa Maria in ihrer Funktion als Propaganda-Material für König Alfons besprochen.

Eher am Rande kamen noch zwei Anregungen zum Weitersuchen: in Sachen Musik der Hinweis auf Hildegard von Blingin, in Sachen Geschichte allgemein der Hinweis auf Schwarze Menschen im europäischen Mittelalter, die in den gängigen Darstellungen eher weniger präsent sind.

Ein Großteil des Materials ist noch bis Montagabend online zugänglich, ich werde mir also vermutlich noch das eine oder andere anhören.

Geschichten und Musik

Ich habe heute ein bisschen aufgeräumt, und das wird vermutlich noch ein paar Tage so weitergehen. Anscheinend lesen ja doch ein paar Leute mit. Das freut mich sehr und ich bedanke mich herzlich für den Besuch. Unter dem Motto “Geschichten und Musik” bin ich vor vielen Jahren und mit vielen tollen Plänen gestartet. Inzwischen hat es diese Form hier angenommen und läuft noch fröhlich weiter.

Geschichten …

Gestern hat das Camp NaNoWriMo für den Juli begonnen und ich nehme zum ersten Mal daran teil. Was mich da erwartet, weiß ich noch nicht so genau. Ich schreibe jedenfalls eine Geschichte, die hoffentlich den Weltenbau für Das Schwert des Wilden Landes ein bisschen voranbringt. Dieses noch ziemlich kurze Romänchen steht als nächstes zum Überarbeiten und Veröffentlichen an.

Ich habe jetzt schon große Lust darauf, ein Cover dafür zu basteln. Die hält hoffentlich an, bis ich mit dem Text durch bin. Und springt anschließend auf das Layout über, denn das ist ein Job, den ich gar nicht gerne mache.

… und Musik

In einer anderen Ecke der Welt läuft, ebenfalls seit gestern, die Medieval and Renaissance Music Conference 2020 – wie etliche Veranstaltungen dieses Jahr online. Gegen einen Ausflug nach Edinburgh hätte ich zwar nichts einzuwenden gehabt, trotzdem hat dieses Format gewisse Vorteile. Es löst zum Beispiel das Problem, dass interessante Vorträge immer gleichzeitig stattfinden. Es sind immer noch genug, dass die Zeit knapp werden könnte.

Heute habe ich mir eifrig Notizen gemacht, zu einem Vortrag, der „gestern“ stattfand. Es ging um die Aufgaben der städtischen Trompeter im 16. und 17. Jahrhundert, und ich habe ein paar spannende Dinge erfahren. Die passen einerseits ganz hervorragend zu einem Fantasy-Projekt, das ich schon ein paarmal in Angriff genommen und doch wieder in die Schublade verbannt habe. Vielleicht wird das jetzt der Schubser, damit es wieder ein Stück weitergeht damit.

Andererseits bieten sie auch schöne Aufhänger für weniger phantastische Geschichten. Ich könnte ja mal versuchen, etwas Historisches zu schreiben, was nicht völlig bierernst ist. Am besten höre ich mir noch ein paar solcher Vorträge an und schaue, was dabei an Ideen abfällt.

Süßes mit Ei

Das Rezept für heute ist wieder einmal etwas Süßes und besteht vor allem aus Ei. Das hängt mit einer Kurzgeschichte zusammen, die ich zurzeit in Arbeit habe. Sie soll rechtzeitig zu dieser Ausschreibung des Acabus-Verlags fertig werden. Es fehlen noch zwei Szenen und eine kräftige Kürzungsrunde.

Süßes mit EiGespaltene Nonnen

  • 6 Eier
  • Safran
  • Zimt
  • Ingwer
  • Pfeffer
  • 1/2 Apfel, gerieben
  • Schmalz
  • Zucker + Zimt

 

Die Eier hart kochen und abkühlen lassen.

Der Länge nach halbieren und die Dotter herausnehmen. Zerdrücken und mit den Gewürzen und dem Apfel gut mischen.

Diese Mischung wieder in die Eiweißhälften füllen. Das Ganze in Schmalz backen.

Die Füllung, so lange sie noch heiß ist, mit Zucker und Zimt bestreuen und servieren.

Das Rezept stammt aus einem flämischen Kochbuch des 16. Jahrhunderts. Mehr historische Rezepte gibt es zum Beispiel auch hier.

 

Bild: Marans Club de France via Wikipedia, CC BY-SA 4.0

Tanzen und S(pr)ingen

Aus aktuellem Anlass gibt es mal wieder etwas Musiklastiges zu lesen, diesmal über sonderbare Instrumente.

Wie in der Terminliste angekündigt, findet am 10. Juni um 18.30 Uhr ein Konzert im Kronepark in Bensheim-Auerbach statt, mit Renaissance-Tänzen, unter anderem nach Arbeau und Negri. Es singt der Eventchor Bensheim, es tanzt der Historische Tanzkreis und es spielen acht unerschrockene MusikerInnen, meist auf Blockflöten. Dazu kommen Trommel bzw. Tamburin, Gitarre und Cello.

Historische Instrumente sind eher spärlich vertreten: Es sind Drehleier, Dudelsack und Portativ. Dabei ist „historisch“ oder auch „traditionell“ sowieso ziemlich relativ.

Aus dem 16. Jahrhundert, in dem die Tänze aufgezeichnet wurden, gibt es auch Quellen zu Musikinstrumenten und ihrer Verwendung. YouTube-Videos sind verständlicherweise spärlich, aber auch Originalinstrumente sind nur vereinzelt in Museen erhalten. Das sind dann vor allem solche, die überwiegend aus nicht biologisch abbaubarem Material bestehen. Sie gehörten in der Regel eher Leuten, die es sich leisten konnten, mal etwas aufzubewahren, was nicht mehr unmittelbar in Gebrauch war.

Die größte Gefahr für diese Instrumente war die wechselnde Mode. Oft lassen sich an Museumsstücken die Spuren späterer Umgestaltungen finden, mit denen das Instrument einer neuen Klangvorstellung angepasst werden sollte. Manchmal stellen sie sich auch als Fälschung aus dem 19. oder 20. Jahrhundert heraus, wie zum Beispiel ein Portativ im Instrumentenmuseum des Königlichen Konservatoriums in Brüssel. Es galt noch vor fünfzig Jahren als Original aus dem 17. Jahrhundert. Das wäre ohnehin recht spät gewesen, denn aus Bildern sind halbwegs glaubhafte Darstellungen der Mini-Orgeln schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts verschwunden, die letzte urkundliche Erwähnung erfolgte in einem Inventar Heinrichs VIII.

Wie beim Cembalo und bei der Blockflöte ist die Tradition für dieses Instrument also abgerissen und wurde erst mit dem neu entstandenen Interesse an Alter Musik im 19. Jahrhundert wiederbelebt. Als Grundlage dazu diente – in Ermangelung von Originalen, die man hätte nachbauen können – der aktuelle Stand der Technik im Orgelbau. Aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist ein Portativ mit zwei Registern – davon vermutlich eins mit Zungenpfeifen – erhalten (Museum Tholey). Beschrieben wird es allerdings als Nachbau eines Memling-Modells … (Koninklijk Museum voor de Schone Kunsten, Antwerpen).

Die Entwicklung ist hier also etwas anders verlaufen als beim Cembalo oder bei der Blockflöte, bei denen die Hersteller an vorhandene Instrumente anknüpfen konnten. Von dort aus wurden Neuerungen entwickelt, die den zeitgenössischen Hörgewohnheiten entsprechen, sei es in Sachen Lautstärke, um in großen Sälen mit Orchesterinstrumenten mitzuhalten, oder in Sachen Tonumfang – noch tiefer, noch chromatischer.

Beim Portativ kamen die Bemühungen, sich an den vorhandenen Abbildungen und anderen Quellen aus dem Mittelalter zu orientieren, eher später, mit der nächsten Welle des „Early Music Revivals“ ab den 1960er Jahren. Überlegungen zu Einsatzmöglichkeiten jenseits der Mittelalter-Musik und damit die Entwicklung neuer Klangvorstellungen für das Instrument kommen gerade in Gang. Man darf gespannt sein, was in den nächsten Jahren noch entsteht.

Siehe auch: “Der Pfarrer von Plön”, oder was?

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