Geschichten und Musik

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Der Brotjob – Bereicherung fürs Autor_innenleben?

Der Brotjob - Bereicherung fürs Autor_innenleben?… Darum geht es beim heutigen #Autor_innensonntag.

Mein Brotjob als Übersetzerin sieht dem Autor_innenleben in weiten Teilen ziemlich ähnlich. Dadurch kommen sich die beiden selten in die Quere. Die Frage nach der Bereicherung finde ich dagegen schwieriger zu beantworten.

Große Ähnlichkeit

Vom Übersetzen zum Schreiben zu wechseln ist keine große Umstellung. Es geht in beiden Fällen darum, Wörter zu dressieren, und dazu verwende ich ähnliches Werkzeug. Na gut, MemoQ oder Trados helfen beim Schreiben nicht wirklich weiter, Papyrus Autor beim Übersetzen – je nach Projekt – allerdings schon. Beides sind freie Berufe, daher ist der organisatorische Rahmen derselbe. Ich brauche nicht nachzufragen, ob ich einer Nebenbeschäftigung nachgehen darf. Buchmesse-Besuche oder Aktionen der BücherFrauen gehören ebenfalls zu beidem.

Wenig Begegnungen

Diese Ähnlichkeit hat allerdings auch gewisse Nachteile. Wenn ich ohnehin den ganzen Arbeitstag tippend vor dem Bildschirm verbracht habe, reicht die Energie nicht immer, um abends damit weiterzumachen. Außerdem fehlen Anregungen von außen und Live-Kontakte zu anderen Menschen. Die kommen zu normalen Zeiten durch meinen zweiten Nebenjob als Organistin oder durch Freizeitaktivitäten – Plotten beim Schwimmen, hatte ich das schon mal erwähnt? – und fallen jetzt komplett weg. Was planbar ist, lässt sich teilweise ins Netz verlagern, rein zufällige Interaktionen eher schlecht. Aber das ist eine Ausnahmesituation und soll sich gefälligst bald wieder ändern.

Anregungen

Gerade jetzt muss ich mir die Anstöße für neue Ideen verstärkt beim Übersetzen holen. Ja, auch in Kochbüchern lässt sich da etwas finden, noch mehr bei allgemeineren „Kultur“-Texten. Für das gerade abgegebene Historienprojekt habe ich mir Die Beschreibung der Welt von Marco Polo geholt – hat in dem speziellen Zusammenhang nicht allzu weit geholfen, könnte aber vielleicht in einer Fantasy-Geschichte enden. Der nächste historische Übersetzungsauftrag führt an die Ostsee, und ich bin sicher, dass dabei ebenfalls ein paar Anregungen herumkommen.

Ansonsten lese ich diverse aktuelle Quellen in meinen Ausgangssprachen. Dinge, die mich interessieren, habe ich abonniert, ich lasse mich aber auch gern vom Zufall hierhin und dorthin lenken. So sind mir zum Beispiel Elisa e Marcela zugelaufen. Einige weitere Themen liegen noch in der Schublade und könnten sich in Zukunft hier zeigen.

 

2. Advent und Nikolaus

2. Advent und NikolausHeute, am 2. Advent, war der Nikolaus da, wie es sich gehört, und hatte unter anderem einen hübschen Kerl von der Burgbäckerei Gürtler dabei. Noch lebt er … In Abwesenheit von Weihnachtsmärkten und bei eher geringer Lust, durch die eine oder andere Innenstadt zu ziehen, um Geschenke für liebe Menschen zu besorgen, sind jetzt eben feine Sachen aus der unmittelbaren Umgebung gefragt.

Dass die Adventszeit dieses Jahr etwas anders ausfällt als gewohnt, führt in manchen Ecken zu heftigen Reaktionen. Da kann es unter Umständen helfen, ein gutes Stück in die Geschichte zurückzuschauen. Das hat zum Beispiel Going Medieval getan und ein paar alte Daten der Weihnachtszeit in den Mittelpunkt gerückt.

Auch zu moderneren Traditionen rund um “die Feiertage” bilde ich mich gerade ein bisschen weiter, um an einer Ausschreibung des Piper-Verlags teilzunehmen. Auf meiner Festplatte schlummert noch eine biedermeierliche Idee, die sich dafür recht gut eignen könnte. Jetzt muss ich nur noch anfangen zu schreiben.

Zum guten Schluss kommt noch ein Adventslied. Schließlich gibt es Möglichkeiten, Advent zu feiern, ohne “a public health nightmare” auszulösen.

 

NaNoWriMo – Noch zwei Tage

Ich dachte, heute könnte ich schon über ein entspanntes neues Computerspiel berichten, das ich gerade übersetze, aber das hat noch Anlaufschwierigkeiten. Also vertröste ich mich auf Montag und hoffe, dass dann die ganzen schönen Projekte, die sich in dieser Woche angekündigt haben, tatsächlich an den Start gehen.

Ein Schreibprojekt hat sich leider zerschlagen. Es steht also keine intensivere Recherche nach Amsterdam im 17. Jahrhundert auf dem Plan. Dabei bin ich auf Twitter über zwei spannende Seiten zum Thema gestoßen: Stadholders’ wives und Mark Ponte. Ich lasse sie jetzt trotzdem einmal hier, denn dort sind sowieso interessante Dinge zu lesen. Außerdem gehe ich davon aus, dass ich die Geschichte eines Tages doch schreibe und dann brauche ich die Links.

Weil das Abenteuer als seriöser historischer Roman nicht landen konnte, habe ich es nämlich als Aufhänger für eine phantastische Parallelwelt genommen. Und in dieser spielt mein anstehender November-Roman „Die Kartenreisende“ (nach einer Idee von Leann Porter). Davon sollte es morgen Abend einen Klappentext geben, und am Sonntag geht es los mit 1667 Wörtern pro Tag.

Ansonsten würde ich mich heute immer noch in Neckarzimmern herumtreiben, um diese Uhrzeit unter idealen Umständen tanzen, auf jeden Fall aber Cidre vernichten. Um die Lücke ein bisschen aufzufüllen, folgt noch etwas Tanzmusik.

An Dro

Fröhlicher Kreis

Schottisch, in memoriam Yves Leblanc

Slängpolska

Bourree

Virtuelles Konzert Nr. 5 – Trumscheit

Heute gibt es wieder einmal ein virtuelles Konzert, Nr. 5 seiner Art, das einem etwas speziellen Instrument gewidmet ist – dem Trumscheit.

Virtuelles Konzert Nr. 5 - Trumscheit

Darauf bin ich gekommen, weil mir bereits eine Idee für den diesjährigen NaNoWriMo im Kopf herumspukt. Darin soll eine Musikertruppe mit spezieller Besetzung eine Rolle spielen, für die ich schon mal anfange, die Instrumente zusammenzusuchen. Bisher habe ich nur eine Vorstellung von einem Menschen, der im Stehen ein langes Saiteninstrument spielt. (Aus dem Menschen kann natürlich auch noch ein fantastischeres Wesen werden.)

Ich dachte kurz an etwas wie die Teufelsgeige, aber die ist eher zum Lärmen geeignet als zum Spielen. Außerdem wird sie meist im Zusammenhang mit Zieh- oder Mundharmonika erwähnt. Ich habe  zwar auch eine Fantasy-Bardin, die so was spielt, aber das wollte ich eigentlich nicht einreißen lassen. Schon gar nicht, wenn sich das übrige Setting eher am Spätmittelalter orientieren soll.

Beim weiteren Umschauen wurde es das Trumscheit, das es als Tromba marina im 17. und 18. Jahrhundert auch zu einigem gesellschaftlichem Ansehen und eigens dafür geschriebenen Kompositionen gebracht hat. Für „mein“ Abenteuer wird es aber eher eine ältere Variante, vielleicht auch eine kürzere, die zum Spielen auf einen Stuhl oder ähnliches gestützt wird.

Der Klang des Instruments wird oft als trompetenartig beschrieben, und offenbar wurde es auch entsprechend eingesetzt und mit anderem lautem Gebläse kombiniert. (Als zusätzlicher Bordun zum Dudelsack ist vielleicht trotzdem nicht die sinnvollste Verwendung.) Meine Vorstellung von der Truppe geht eher in Richtung leisere Instrumente, was offenbar ebenfalls funktioniert. Ob das historisch korrekt ist, sei dahingestellt. Bis November erfahre ich möglicherweise noch mehr zum Thema.

Jetzt gibt es erst einmal Musik

Passend zur Jahreszeit: https://www.youtube.com/watch?v=XzGrzUpLdgw

Einmal Hildegard von Bingen: https://www.youtube.com/watch?v=ZRfwaf8ZlKk

Was eher Neumodisches: https://www.youtube.com/watch?v=l7gKy_0R6M8

Jean-Baptiste Prin, der Experte für die Tromba marina: https://www.youtube.com/watch?v=_xJQk51M9I0

 

Verwandter Artikel: Weltenbau – Über Musik (dort geht es übrigens auch um die Welt, in der sich die Ziehharmonika spielende Bardin herumtreibt)

Literatur: Dwight Newton, The Tromba Marina – A Study in Organology, 2002

Bild: gemeinfrei

Erkenntnisse aus dem PAN Branchentreffen 2019

… alias #pan19

Erkenntnisse zu Inspirationsquellen
Erkenntnisse aus #pan19

Ein inspirierender Organismus?

Erkenntnis Numero 1 kommt nicht wirklich überraschend, gehört aber zu den Dingen, auf die immer mal wieder hingewiesen werden sollte: Die Möglichkeiten, Inspirationen zu finden, sind praktisch unbegrenzt. Ich hangele mich mal am Programm entlang.

In vor- und unmittelbar nachsintflutlichen Zeiten gibt es noch eine Menge Platz für fantastische Welten. Ein Steinzeit-Krimi um Ötzi ist inzwischen nur noch antiquarisch zu haben, also wird es vielleicht Zeit für eine Neuinterpretation. Die Welt war auch damals schon ziemlich groß und die Menschheit unterwegs. Alle Neuentwicklung einer einzelnen, blonden & blauäugigen Heldin zuzuschreiben kommt möglicherweise nicht mehr ganz so gut, und es stehen vermutlich allerlei andere in den Startlöchern, um ihre Welt zu verbessern. Ebenso gab es, laut Dr. Michael Lagers vom LWL-Landesmuseum Herne, bereits in der Steinzeit Produktpiraterie. Das könnte ein ganz neuer Ansatzpunkt für eine Krimihandlung sein.

Des Weiteren sind Trolle eine ausgesprochen vielseitige Spezies, auch dann noch, wenn man die Schlumpf- oder Gartenzwergähnlichen abzieht. Skandinavische Märchen bzw. isländische Sagas halten verschiedene Aspekte dieses Volkes bereit, die in der Phantastik noch nicht allzu weit verbreitet sind. Der Vortragende, Professor Rudolf Simek, hat zudem weitere mittelalterliche Monster im Angebot, denen sich vermutlich nachzugehen lohnt. (Für meine Burgenwelt-Geschichte bleibt es aber erst mal beim Totengeist.)

Das war jetzt schon wieder vor allem Historisches und Kulturelles. Dabei gibt es in anderen Ecken der Wissenschaft mindestens so geniale Vorbilder für Feinheiten des Weltenbaus – siehe auch hier. Hier gab es entscheidende Einblicke in das Leben des Kleinen Leberegels (zu bewundern oben links) und des großen afrikanischen Elefanten im Workshop von Anika Beer. Die muss ich aber noch ein bisschen sacken lassen, bis sie irgendwo andocken und eine Geschichte daraus wird.

Erkenntnise zu weiteren Projekten

Aus dem „prähistorischen“ Vortrag von Dr. Meret Fehlmann stammt die Erkenntnis, dass Phantastik nicht nur auf Englisch oder Deutsch geschrieben wurde und wird. Da liegt also ein weiteres Projekt und wartet darauf, dass ich Zeit und den richtigen Aufhänger dafür finde. Es reizt mich schon seit vielen Jahren, es könnte also langsam erntereif sein.

In Sachen „unbedingt mal wieder lesen“ gab die Podiumsdiskussion am Donnerstag einen wichtigen Hinweis: Karen Nölle übersetzt Romane von Ursula K. Le Guin neu. Bisher noch gar nicht übersetzt und, wenn ich das richtig verstanden habe, derzeit auch nicht dafür vorgesehen, ist eins meiner Lieblingsbücher von dieser Autorin, Always Coming Home. Trotzdem ist auch das ein Anstupser, mal wieder reinzuschauen.

Erkenntnisse zur Freizeitgestaltung

Diese Erkenntnis hat nicht so viel mit phantastischer Literatur zu tun, sondern vor allem damit, dass es im Hotel kein Schwimmbad gab. (Das ist kein Kriterium dafür, dort zu wohnen oder nicht; das Branchentreffen hatte eben ein neues Domizil.) Es gab aber einen Fitnessraum, und damit hatte ich Gelegenheit festzustellen, dass so ein Stepper eine feine Sache sein kann. Außerdem sollte ich wohl die Wörterbuch-Gymnastik wieder aufnehmen. Der dicke Van Dale hat sich da schon bewährt, wenn ich mich recht erinnere.

Dann gab es noch einen Hinweis auf einen Ausflug: Bei Orgelbau Klais in Bonn gibt es die Möglichkeit, an Betriebsführungen teilzunehmen.

Weltenbau – Über Steine

Kurz vor dem Abflug zum PAN-Branchentreffen kommt hier der letzte Weltenbau-Artikel. Diesmal geht es, zumindest ansatzweise, um die „Steine“, die geographischen Grundlagen.

Weltenbau - Über Steine

Was hieraus wohl entsteht?

Wie bereits erwähnt: Ich bin Lingu, Naturwissenschaft ist nicht meine starke Seite. Aber ganz ohne geht es auch nicht. Dabei gibt es zum Glück Genre-spezifische Abkürzungen. Wer nicht gerade eine Space Opera schreibt, kann mit einer ziemlich erdähnlichen Welt auskommen. Kann, muss aber nicht. Für Fantasy-Welten gibt es da ebenfalls viele Möglichkeiten. Insbesondere, wenn der Kontrast zur gewöhnlichen Umgebung der Held*innen und/oder Leser*innen betont werden soll, kann es helfen, zum Beispiel zwei Sonnen scheinen zu lassen. Oder zu definieren, dass die Welt eine Scheibe ist.

Evidenzbasierte Spinnerei

Allerdings gibt es für Fantasy-Welten im engeren Sinn mehr „Regelwerke“ zur Auswahl als in der SF. Das S steht schließlich für „Science“, also sollte ein Bezug zu den bekannten Naturgesetzen zumindest erkennbar bleiben. Da ändert sich nur der Stand der Wissenschaft im Lauf der Jahrzehnte, und es kann spannend sein, die Zukunftsvisionen von „damals“ mit den tatsächlichen Entwicklungen zu vergleichen. Die Phantastische Bibliothek Wetzlar nutzt das Potenzial der evidenzbasierten Spinnerei im Projekt Future Life systematisch, um mögliche zukünftige Entwicklungen zu erkennen bzw. anzustoßen. Vermutlich sind etliche real existierende Erfindungen auf Ideen aus Literatur oder Film zurückzuführen.

Welteis oder Wall aus Reisbrei

Für eine Fantasy-Welt ist es aber durchaus zulässig, wenn nicht sogar erwünscht, auf längst widerlegte Theorien zurückzugreifen oder sich gleich von der Mythologie inspirieren zu lassen. Die Flachwelttheorie hat eine beachtliche Karriere hingelegt, eine Höhlenwelt gibt es auch schon, womöglich lässt sich sogar aus der Welteislehre was machen. Göttliche Schöpfungen sind ohnehin an der Tagesordnung. Vielleicht muss man es auch gar nicht so genau wissen, um eine spannende Geschichte zu erzählen. Wie funktioniert zum Beispiel das Schlaraffenland? Da es bereits Sachbücher zur Biologie von Drachen gibt, wäre eine Abhandlung zur Statik von Reisbrei-Wällen auf jeden Fall denkbar.

Zurück zu den Steinen

Aber nun zurück zu den Steinen und anderen grundlegenden Bestandteilen der fiktiven Welt. Sie haben beachtliche Auswirkungen auf die weiteren Aufbauten der Welt und die Geschichten, die dort spielen. Das betrifft zum einen alltägliche Fragen wie die nach Kleidung oder Essen: Welche Rohstoffe gibt es? Was brauchen die Bewohner der Welt, um über die Runden zu kommen? Wo fängt der Luxus an?

Reiserouten

Oft reisen die Held*innen stellvertretend für die Leser*innen einmal quer durch die Welt und es wäre zu beschreiben, mit welchen Mitteln sie das tun, auf welche Schwierigkeiten sie stoßen, wie sich Landschaft und Jahreszeiten auswirken. (Welche gibt es überhaupt?) Natürlich kann man die Abkürzung nehmen und Flugreisen anbieten. Aber auch für die muss ein Rahmen definiert werden. Meistens braucht man dazu magische Methoden, allermindestens einen kooperationswilligen Drachen. Der setzt wiederum einen geeigneten Lebensraum mit dem nötigen Futter-Angebot voraus.

Reale Vorbilder

Für die meisten Details kann man sich an den terranischen Gegebenheiten orientieren. Da gibt es genügend Auswahl an Welten-Bausteinen und Anpassungen an diese. Darauf basieren zum Beispiel die oben erwähnten Drachen-Sachbücher. Auch Menschen haben sich in allerlei Umgebungen eingerichtet und Mittel und Wege gefunden, sich dort mit allem Nötigen zu versorgen. Sie können dem einen oder anderen Elfendorf vermutlich ein paar Life Hacks verraten.

Und was ist mit Magie?

Kein direktes Vorbild gibt es für Magie. Im Gegenteil, da finden sich jede Menge gute Erklärungen, warum es nicht funktioniert, mal eben einen Menschen in einen Frosch zu verwandeln. In vielen Fantasy-Welten spielt sie trotzdem eine Rolle und erfordert ihre eigenen Naturgesetze. Wie mächtig kann Magie werden? Wodurch wird ihre Anwendung begrenzt?

Möglicherweise werden Rohstoffe gebraucht, die nachwachsen oder auch nicht. Vielleicht ist der Umgang mit Magie ein Talent, das ausgebildet werden kann bzw. muss. Da in einer Welt mit Zauberei auch unorthodoxe Lehren zutreffen könne, ist eventuell der Stand der Gestirne für die Wirkung eines Zaubers von Bedeutung. Sind die Voraussetzungen erst einmal definiert, lassen sich ihre Auswirkungen auf die Welt und ihre Bewohner unter Zuhilfenahme von etwas Fantasie dann wieder in Geschichtsbüchern oder in der Zeitung nachlesen.

Wie weit diese Überlegungen ins Detail gehen müssen, hängt von der jeweiligen Welt und ihren Geschichten ab. Je märchenhafter das Ganze werden soll, desto mehr Isso lässt sich unterbringen. Oft entwickeln Welten auch, ähnlich wie Figuren, ein Eigenleben mit immer mehr geographischem und sonstigem Unterbau. Viel Spaß bei der Recherche!

 

Weltenbau – Über Prognosen

Zur Leipziger Buchmesse habe ich auf meiner Facebook-Seite ein paar Worte verloren. Aus einem Gespräch, das dort nicht erwähnt ist, habe ich ein hartnäckiges Plotküken mit nach Hause genommen. Es ging nämlich um die aktuelle Ausschreibung des Eridanus-Verlags.

Zukunft statt Vergangenheit

SF lese ich zwar mitunter ganz gern, beim Schreiben ist das eher nicht mein Genre. Zu diesem speziellen Thema spukt mir allerdings schon länger eine halbgare Idee im Kopf herum. Es wird keine Space Opera, sondern spielt in naher Zukunft in Deutschland. Da muss ich meine Lieblings-Weltenbau-Methode, die auf historischen Kuriositäten beruht, abwandeln.

Also versuche ich, von aktuellen Kuriositäten auszugehen. Von denen gibt es glücklicherweise genug, und seit ich an dieser Idee wieder aktiv herumdenke, kommt immer wieder Brauchbares vorbeigeschwommen.

Weltenbau - Über Prognosen

BlessU-2 bei der Weltausstellung Reformation in Wittenberg 2017

Wie entwickelt sich die Welt weiter?

Aber dann beginnt der schwierigere Teil: Ich muss eine halbwegs glaubhafte zukünftige Welt extrapolieren. Ich habe nicht vor, morgen die Außerirdischen landen zu lassen oder übermorgen eine weltumspannende Katastrophe auszulösen. Gesellschaft und Technik sollen sich in erwartbarem Rahmen weiterentwickeln. Meine Heldin wird wohl in den Nachrichten von der einen oder anderen untergehenden Insel hören oder mit Wetterkapriolen zu tun bekommen, auch wenn die Küsten in Europa noch weitgehend dort sind, wo sie waren.

Technik und Gesellschaft

Die Apparate, die in meiner Geschichte auftauchen, brauche ich zum Glück nicht funktionsfähig nachzubauen, nicht einmal zu bedienen. Möglicherweise komme ich sogar ohne allzu detaillierte Beschreibungen aus. Trotzdem muss ich irgendwo definiert haben, was alles möglich ist und was nicht. Wie sehen die Gesetze aus, die dazu passen? Vielleicht passen sie auch gar nicht und die Gesetzgebung hängt den technischen Möglichkeiten meilenweit hinterher. So etwas soll ja vorkommen.

Vermutlich sind auch nicht alle Menschen bzw. Organisationen mit Gerät der neuesten Generation ausgestattet. Das könnte zum Beispiel am Geld liegen. Vermögen und Besitz werden in meiner Geschichte ohnehin eine große Rolle spielen, also halte ich Ausschau nach Theorien, wie diese in Zukunft verteilt sein könnten, und suche mir die passendste heraus. Es wird wohl in die Richtung gehen: „Wer da hat, [der] wird gegeben, und [sie] wird die Fülle haben.“

Trotz SF und techniklastiger Ausschreibung bin ich doch wieder bei gesellschaftlichen Fragen angekommen, denen ich nachrecherchiere und die mich auf Ideen bringen. Wahrscheinlich wird auch KI-Musik eine Rolle spielen und die Frage nach echtem Essen auftauchen – schließlich ist es meine Geschichte.

Bild-Info: BlessU-2, Foto Jörn via Das Nord-Süd-Gefälle; CC-BY-SA 4.0-Lizenz

Weltenbau – Über Essen

Standesgemäß ist in der Reihe Weltenbau jetzt mein nächstes großes Thema dran, echtes Essen. Ähnlich wie bei den Musikinstrumenten besteht auch hier wieder die Neigung zu Shmeerps. Dazu kommt allerdings eine naturwissenschaftliche Komplikation: Kann ich etwas, das nicht biologisch-genetisch als Solanum tuberosum zu identifizieren ist, Kartoffel nennen? Möglicherweise ist das für Hard-SF-Schreiber*innen ein größeres Problem als in der Fantasy. Dort schnappt eher die aus dem historischen Regal bekannte „Ritterkartoffel“-Falle zu. „Damals“ gab es in Mitteleuropa noch keine Kartoffeln, und das ist bekanntlich das Maß aller Dinge, auch für Fantasy-Welten.

Weltenbau Essen

Spezialität aus einer anderen Welt

Ohne Essen geht es nicht

Ist Essen denn überhaupt so spannend, dass sich solche Überlegungen lohnen? Muss in einem Fantasy-Abenteuer wirklich detailliert aufgeführt werden, was es bei Heldens zum Frühstück gibt? Ausgefeilte Kochrezepte, die sich mit dem Angebot eines hiesigen Supermarkts und der üblichen Kücheneinrichtung ohnehin schwer nachkochen lassen, sind vielleicht wirklich nicht dringend nötig. Es gibt allerdings auch praxistaugliche Fantasy-Kochbücher, Nanny Ogg’s Cookbook oder einiges aus dem Zauberfeder-Verlag.

Aber das ist schon der nächste Schritt. Hier soll es erst einmal um die Geschichte gehen. Und ja, Essen kann spannend sein und direkte Auswirkungen im Abenteuer haben – von der Held*innengruppe, die sich unterwegs verpflegen muss, bis zur kräftigen Sauce, die den Geschmack eines Giftes verdecken soll. Ob am Ende wirklich alles in Butter ist, wenn beim traditionellen Festmahl unter der Eiche eine gewisse Person nicht mitfeiert?

Entspannt genießen

Andererseits braucht eine gute Geschichte auch mal Entspannung. Die Held*innen haben ein Zwischenziel erreicht, sind – wahrscheinlich – in Sicherheit und können sich – vorübergehend – wohlfühlen. Dazu gehört eine entsprechende Mahlzeit. Und während man die regionalen Spezialitäten genießt, kann man sich wunderbar unterhalten, Informationen einholen, Gerüchte ausstreuen, Leute kennenlernen, etc.

Hier kommt ein weiterer Punkt ins Spiel, wenn die Welt aus mehr als Kulissen besteht. Warum ist genau dieses Gericht die regionale Spezialität? Wie würde die Palastküche diese blassgelbe Knolle zubereiten? Wissen die Held*innen überhaupt, was sie da essen, und wie reagieren sie darauf?

Am Essen hängt eine Menge kultureller Hintergrund. Es kann nicht nur den gesellschaftlichen Status in einer übersichtlichen Gemeinschaft widerspiegeln, sondern auch weiträumige wirtschaftliche und politische Beziehungen. Wer baut wo die erwähnten Knollen an und wer kontrolliert den Handel damit? In der Welt der Regenbogengötter könnte die Knolle wegen ihrer schönen gelben Farbe dem Herrn des Streites heilig und umgekehrt bei den Anhängern des blauen Hauses verpönt sein. Die züchten dann eben ihre eigene Sorte …

Weltenbau Essen 2

Die heilige Knolle des blauen Hauses

Weltenreise mit Eintopf

Das Problem ist, solche Informationen einigermaßen kurz und schmerzlos einzuarbeiten. Spielt das Abenteuer im Deutschland des frühen 21. Jahrhunderts, machen Schlagwörter wie „vegan“ oder „halal“ ziemlich viel klar – wenn auch bei unterschiedlichen Leser*innen ziemlich Unterschiedliches. Mir ist bisher noch kein kulinarisch-fantastisches Äquivalent begegnet, das in drei, vier Buchstaben die richtige kulturelle Ladung von einer Welt in die andere transportiert. Das einzige Gericht, das offenbar in allen denkbaren Romanwelten serviert wird, ist „undefinierbarer Eintopf“. Die Aufgabe besteht also darin, ihn zu definieren.

In Die Göttin der Helden habe ich mit Rineke eine wichtige Figur, die in einem Gasthaus aufgewachsen ist. Ihr werden die Eigentümlichkeiten der Küche(n) unterwegs gewiss auffallen, wenn sie ins große Abenteuer aufbricht, und sie wird beim Kommentieren kein Blatt vor den Mund nehmen. Jetzt muss ich nur noch etwas in der Speisekammer haben, was sie denn kommentieren und mit dem „guten, richtigen“ Essen zu Hause vergleichen kann. Dazu werde ich mich mal in die angegebene Literatur und meine Sammlung diverser Kochbücher mit Rezepten aus diversen Jahrhunderten und Gegenden vertiefen und probieren, was sich davon verwenden lässt.

Literatur:

  • Schubert, Ernst. Essen und Trinken im Mittelalter. wbg Philip von Zabern, 2016
  • Trenk, Marin. Döner Hawaii. Klett-Cotta, 2015

Fotos (beide CC BY-SA 3.0):

  • oben: Kartoffelsalat aus Pellkartoffeln, Heiner Otterstedt
  • unten: Blue Salad Potato, MarkusHagenlocher via Wikipedia

Die Lupe hat ausgedient

Am 23. März fand in Stuttgart ein Seminar des VfLL statt, mit dem Titel „Online-Recherche im Lektorat“. Referent war der Journalist Albrecht Ude.

Im ersten Teil der Veranstaltung ging es unter anderem darum, welche Suchmaschine zu welcher Anfrage die besten Ergebnisse liefert. Das führte umgehend weiter zu der Frage, wie wir selbst im Netz gefunden werden. Für freischaffende Büchermenschen ist das von wesentlicher Bedeutung. Schließlich wollen wir – in seriösen, professionellen Zusammenhängen – möglichst schnell und leicht sichtbar sein.

Das wäre allerdings ein Thema für ein eigenes Seminar, ebenso die Spuren, die wir mehr oder weniger freiwillig hinterlassen. Einige große Akteure sind ja für ihre Datensammelwut hinreichend bekannt, und zu ihnen gibt es Alternativen (siehe „Eine Woche ohne“). Welche davon wann sinnvoll sind, ist jeweils im Einzelfall zu entscheiden, und es gibt gewisses Handwerkszeug, um die Suche zu verfeinern und schneller an die relevanten Ergebnisse zu kommen.

Eine grundlegende Frage ist zum Beispiel: Wer müsste die Antwort haben, die ich gerade suche? Gibt es einen mehr oder weniger offiziellen Ansprechpartner für das anliegende Thema? Oft hilft diese Stelle schon weiter. Ich bin zum Beispiel für das eine oder andere Projekt auf der Website des Anbauverbandes Bioland fündig geworden.

Ältere Netzinhalte, von denen man vielleicht hofft, dass sie endgültig im Orkus gelandet sind, findet die Wayback Machine wieder. Sie ist mir vor Kurzem tatsächlich in einer Übersetzung begegnet, die für einen Schadenersatzprozess gebraucht wurde. Dann gilt diese Quelle offenbar als so seriös, dass sie bei Gericht verwendet werden kann. Ähnlich scheint es mit Bild-Metadaten und den dort auffindbaren Hinweisen zu sein.

All das erscheint mir recht spannend für journalistische Recherche, aber auch für Leute, die zeitgenössische Spannungsliteratur schreiben. Ich stehe öfter vor der Frage, was meine Helden auf welchem Weg herausfinden und umgekehrt, wie die Schurken ihre Spuren verwischen können. Das Ganze in ein Fantasy-Setting zu verpflanzen, wäre die nächste Herausforderung.

Im Lektorat setzt diese Arbeitsweise allerdings ein Grund-Misstrauen gegen die Autor*innen, gegebenenfalls auch den Verlag voraus, das ab einem gewissen Punkt kontraproduktiv erscheint. Ja, mitunter ist es angebracht, und es wächst sicher mit jedem Element, das als unstimmig enttarnt wird. Bei einem Roman wäre dann auszudiskutieren, was eventuell unter „künstlerische Freiheit“ fällt oder was von den Konventionen des jeweiligen Genres gedeckt wird.

Bei Sachbüchern wäre es eher von Bedeutung, die angegebenen Quellen nachzuprüfen. Ich halte die Wahrscheinlichkeit trotzdem für gering, dabei z. B. auf einen nicht existenten Berufsverband zu stoßen. Leider war das Seminar an der Stelle zu Ende, als das Thema Datenbanken und der geschickte Umgang damit an der Reihe gewesen wäre. Vielleicht gibt es dazu ja mal eine weitere Veranstaltung mit einem im Web heimischen Menschen, der hauptberuflich lektoriert.

Und jetzt mache ich mich trotzdem ganz offline auf den Weg, um Rechercheliteratur zu finden: Katzen (immer noch) und Streichinstrumente.

Pinguine essen

Ich schreibe zur Zeit an einer Katzengeschichte für den Machandel-Verlag, oder genauer: ich überarbeite. Dabei habe ich das Gefühl, nicht voranzukommen. Ständig fällt mir etwas auf, das ich noch einbauen muss, das ich schon eingebaut habe und weiter ausführen muss, das so einfach nicht funktionieren kann … Überall Baustellen und keine Lösung in Sicht. Aber ich habe schon Romane abgabereif zu Ende geschrieben, jawoll. Es ist nur schon eine Weile her, deshalb bin ich aus der Übung. Mit Geduld und Spucke werde ich auch diese Geschichte zu einem hübschen Abschluss bringen, und zwar noch in diesem Halbjahr.

Die zweitwichtigste Rolle in der Geschichte spielen Pinguine. Darum habe ich mich auf die Suche nach Recherchematerial gemacht und bin auf das Buch Pinguin von Stephen Martin gestoßen (Gerstenberg, 2011; Ü: Ursula Held). Darin geht es weniger um die Biologie der antarktischen Fauna als um die Kulturgeschichte zwischen Pinguin und Mensch, vor allem allerdings zwischen Pinguin und Europäer. Die besteht in der Tat über weite Strecken darin, dass die Pinguin-Kolonien der Südhalbkugel von den Seefahrern fern der Heimat als Frischfleisch- und Eier-Depot angesehen wurden. An Land hatten die Vögel schließlich kaum eine Chance zur Flucht. Von Felsenpinguinen wird allerdings berichtet, dass sie sich gegen menschliche Angreifer gewehrt hätten.

Das Fleisch kam relativ bald aus der Mode, weil der Geschmack wohl weniger erfreulich war. Allerdings konnte man die fetthaltigen Körper immer noch verbrennen oder zur Trangewinnung nutzen. Zu diesem Zweck entstand im 19. Jahrhundert eine regelrechte Industrie, bis die ersten Vogelschützer auf den Plan traten. Die wollten die Pinguine immerhin zum Besten der Wissenschaft erhalten.

Während es für die Seeleute im 16./17. Jahrhundert oft eine Frage des Überlebens war, wäre es heute in der Tat nur ein kulinarischer Tabubruch, Pinguin zu essen. Vermutlich nicht einmal einer, der sich mit feinem Geschmack oder besonderen gesundheitsfördernden Eigenschaften erklären ließe. Die Meldung, dass Kaz Yamamoto in einem Restaurant in Arizona Pinguin serviert hätte, stellte sich denn auch bald als Hoax heraus.

In meinem Abenteuer werden keine Pinguine gegessen, aber das eine oder andere Element aus diesem Buch werde ich bestimmt einbauen. Einiges passt sehr schön zum geplanten politischen Hintergrund. Außerdem gab es noch Hinweise auf weitere Literatur und Filme … und Pinguin-Bilder kann man nie genug haben.

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