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Schlagwort: Lektorat

#Autor_innensonntag – Lektorat

#Autor_innensonntag - LektoratBeim heutigen #Autor_innensonntag geht es ums Lektorat. Dazu kann ich mich kurz fassen, denn ich habe gerade eins zu bearbeiten, das möglichst bald fertig werden sollte. Wetter ist auch optimal zum Drinnenbleiben, also ran an den Text.

Der Haken

Aber natürlich hat die Sache einen Haken. Denn das ist der Arbeitsschritt, vor dem ich mich am liebsten so lange wie möglich drücke. Eine Datei mit Rückmeldungen zu einem Text zu öffnen, kostet mich eine Menge Überwindung. Dabei stelle ich anschließend meistens fest, dass es gar nicht so schlimm ist.

Ja, klar, natürlich stimmen da verschiedene Dinge nicht, seien es Tippfehler oder mal ein fehlendes „nicht“. Vielleicht gibt es auch Meinungsverschiedenheiten zu der einen oder anderen Formulierung, vielleicht war meine erste Fassung zu blass oder zu umständlich. Das ist in der Regel schnell ausgebügelt.

Komplikationen

Aber manchmal stehen Platzhalter im Text, wo keine mehr sein sollten. Das kann schon schwieriger werden, denn die verselbständigen sich bei mir mitunter. Ich stelle mir zum Beispiel eine Figur in Anlehnung an Obelix vor und lassen den Namen erst einmal stehen. Kann man ja mittels Suchen und Ersetzen ausbügeln. Das führt aber ein paar Szenen später zu der Frage, warum diese Figur keinen Zaubertrank bekommen darf. Dafür sollte ich möglichst bald eine Erklärung finden, die nichts mit Kessel und reingefallen zu tun hat. Im Idealfall liefert mir das ein nützliches Detail zum Weltenbau. Im nicht so idealen Fall zieht sich die Sache durch die ganze Geschichte bis in die allerletzte Fassung, und ich raufe mir die Haare aus, um noch eine Lösung zu finden, die nicht mehr knirscht. Da ist die Versuchung groß, alles noch einmal aufzurollen und ganz anders zu machen. So erging es mir bei Buntspecht und Anton. Nach mehreren Kehrtwendungen ist die Gesichte trotzdem fertig geworden.

Jetzt ist das nächste Katzenabenteuer an der Reihe, von dem hier auch schon mehrmals die Rede war. Es enthält noch Knoten im Zeitablauf und vermutlich noch weitere Komplikationen, also gehe ich mal daran, die zu beheben …

Anfang und Ende

Beim Lektorat von Buntspecht und Anton gibt es allerhand zu tun, nicht nur an Anfang und Ende. Da ist zum Beispiel ein Instrument, das nicht so genau weiß, ob es nun schon ins Auto geladen wurde oder nicht. Kurz vorher musste es das arme Ding auch noch runterfallen. Man glaubt es kaum, aber davon gibt es kein YouTube-Video. Ich wollte auch nicht unbedingt eine befreundete Harfenspielerin bitten, das mal nachzustellen. Um die Szene passend hinzukriegen, habe ich also ein Experiment gemacht, mit dem einzigen Saiteninstrument, das ich in Griffweite habe (Saitentamburin, selbstgebaut). Jetzt stimmt die Sache hoffentlich.

Den Einstieg finden

Den Anfang habe ich dagegen nocn nicht richtig im Griff. Das geht mir ziemlich oft so, und ich greife dann gern auf die „dunkle, stürmische Nacht“ oder etwas Ähnliches zurück. Das ist nicht sonderlich originell, auch wenn ich je nach Setting auch mal „Es weht der Wind mit Stärke zehn“, oder eine Variante von „Wir befinden uns im Jahre 50 v. Chr.“ verwende. Die Methode hat sich für mich aber bewährt, um in die Gänge zu kommen und nicht stundenlang über der leeren ersten Seite brüten. Wenn die Sache erst läuft und ich weiß, in was ich da eigentlich einsteige, kann ich den ersten Satz immer noch umformulieren oder ganz streichen. Nur sollte ich diesen Schritt nicht unterschlagen, bevor ich abgebe …

Anfangs-Variationen

Prinzipiell mag ich gerne eher breite Anfänge, in denen die Szenerie aufgebaut wird. Zu meinen Lieblingsbeispielen gehört Bruder Cadfael, der sich zu Beginn jedes Abenteuers mit einem mehr oder weniger informierten Zuhörer über den aktuellen Stand des Bürgerkriegs unterhält. Der Kräutergarten dient dabei als jahreszeitlich-idyllische Deko.

Weniger begeistert bin ich von der Variante, bei der ein*e namenlose*r Held*in erstmal kämpft oder rennt. Es kracht und blitzt, und erst auf Seite fünf oder so wird langsam klarer, wer da unterwegs ist und mit welchem Ziel, außer dem, am Leben zu bleiben. Als besonders fragwürdig empfinde ich die Sache, wenn es um einen Trainingskampf geht oder die Figur vor dem Bildschirm zockt.

Jemanden aufwachen zu lassen mag ein Klischee sein, aber es lässt sich kaum bestreiten, dass damit etwas anfängt und eine Figur aktiv wird. Auch das kann also ein übersichtlicher Einstieg werden. Für meinen vorliegenden Fall passt er allerdings weniger, da muss ich mir etwas anderes überlegen.

Und über das Ende muss ich auch noch einmal gesondert meditieren.

Die Lupe hat ausgedient

Am 23. März fand in Stuttgart ein Seminar des VfLL statt, mit dem Titel „Online-Recherche im Lektorat“. Referent war der Journalist Albrecht Ude.

Im ersten Teil der Veranstaltung ging es unter anderem darum, welche Suchmaschine zu welcher Anfrage die besten Ergebnisse liefert. Das führte umgehend weiter zu der Frage, wie wir selbst im Netz gefunden werden. Für freischaffende Büchermenschen ist das von wesentlicher Bedeutung. Schließlich wollen wir – in seriösen, professionellen Zusammenhängen – möglichst schnell und leicht sichtbar sein.

Das wäre allerdings ein Thema für ein eigenes Seminar, ebenso die Spuren, die wir mehr oder weniger freiwillig hinterlassen. Einige große Akteure sind ja für ihre Datensammelwut hinreichend bekannt, und zu ihnen gibt es Alternativen (siehe „Eine Woche ohne“). Welche davon wann sinnvoll sind, ist jeweils im Einzelfall zu entscheiden, und es gibt gewisses Handwerkszeug, um die Suche zu verfeinern und schneller an die relevanten Ergebnisse zu kommen.

Eine grundlegende Frage ist zum Beispiel: Wer müsste die Antwort haben, die ich gerade suche? Gibt es einen mehr oder weniger offiziellen Ansprechpartner für das anliegende Thema? Oft hilft diese Stelle schon weiter. Ich bin zum Beispiel für das eine oder andere Projekt auf der Website des Anbauverbandes Bioland fündig geworden.

Ältere Netzinhalte, von denen man vielleicht hofft, dass sie endgültig im Orkus gelandet sind, findet die Wayback Machine wieder. Sie ist mir vor Kurzem tatsächlich in einer Übersetzung begegnet, die für einen Schadenersatzprozess gebraucht wurde. Dann gilt diese Quelle offenbar als so seriös, dass sie bei Gericht verwendet werden kann. Ähnlich scheint es mit Bild-Metadaten und den dort auffindbaren Hinweisen zu sein.

All das erscheint mir recht spannend für journalistische Recherche, aber auch für Leute, die zeitgenössische Spannungsliteratur schreiben. Ich stehe öfter vor der Frage, was meine Helden auf welchem Weg herausfinden und umgekehrt, wie die Schurken ihre Spuren verwischen können. Das Ganze in ein Fantasy-Setting zu verpflanzen, wäre die nächste Herausforderung.

Im Lektorat setzt diese Arbeitsweise allerdings ein Grund-Misstrauen gegen die Autor*innen, gegebenenfalls auch den Verlag voraus, das ab einem gewissen Punkt kontraproduktiv erscheint. Ja, mitunter ist es angebracht, und es wächst sicher mit jedem Element, das als unstimmig enttarnt wird. Bei einem Roman wäre dann auszudiskutieren, was eventuell unter „künstlerische Freiheit“ fällt oder was von den Konventionen des jeweiligen Genres gedeckt wird.

Bei Sachbüchern wäre es eher von Bedeutung, die angegebenen Quellen nachzuprüfen. Ich halte die Wahrscheinlichkeit trotzdem für gering, dabei z. B. auf einen nicht existenten Berufsverband zu stoßen. Leider war das Seminar an der Stelle zu Ende, als das Thema Datenbanken und der geschickte Umgang damit an der Reihe gewesen wäre. Vielleicht gibt es dazu ja mal eine weitere Veranstaltung mit einem im Web heimischen Menschen, der hauptberuflich lektoriert.

Und jetzt mache ich mich trotzdem ganz offline auf den Weg, um Rechercheliteratur zu finden: Katzen (immer noch) und Streichinstrumente.

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