Geschichten und Musik

Schlagwort: Drehleier

Zwischenhoch

Zwischenhoch

Burg Lindenfels

„Es geht wieder los“, hätte ich gern als Überschrift geschrieben, aber es ist wohl eher ein Zwischenhoch. Winneweh ist abgesagt, das Burgfest ist abgesagt. Trotzdem finden an dem betreffenden Wochenende und in den folgenden Wochen Dinge statt.

700 Jahre Gumpen

Erstens am 30. und 31. Juli im Gesäß in Klein-Gumpen. Senkrecht unter dem Himmel, sozusagen.

Gefeiert werden 700 Jahre Gumpen, in diesem Fall mit Improvisationstheater in Form einer historischen Gerichtsverhandlung. Gerüchten zufolge sollen die behandelten Fälle im 17. Jahrhundert spielen.

Der Ort wurde, wie man sich ausrechnen kann, 1321 erstmals urkundlich erwähnt. Nebenan hatten sich gerade die Schenken von Erbach auf dem Reichenberg niedergelassen. Die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich hoch, dass es den „besiedelten Punkt“, an dem das Abenteuer spielt, schon vorher gab.

Als passende Begleitung zu den historischen Streitfällen spielt die absolut einmalige, unvergleichliche Band Neckarklang. Mit bis zu vier Dudelsäcken, einer bis zwei Drehleiern, mehreren Blockflöten, Gemshörnern, Rohrblattinstrumenten und einer Cister, verteilt auf sechs Personen. Das Problem dabei ist, dass ein Mensch immer nur ein Instrument zugleich spielen kann.

Auf dem Programm steht Bal-Folk-Musik, teils ganz frisch, teils aus alten Handschriften ausgegraben.

Lindenfels Festival

Am 2. August, traditionell Burgfestmontag, beginnt das Lindenfels Festival LiFe‘21, das schon für letztes Jahr geplant war, aber aus den bekannten Gründen ausfallen musste. Dafür wird es in diesem Jahr erst mal sportlich – mit Judo, Hapkido, Tai Chi und Yoga -, bevor dann am 13. bis 15. mit Musik aus diversen Richtungen das Festival wieder zu Ende geht. Außerdem läuft bei Facebook bereits ein Gewinnspiel für zwei Freigetränke.

Eskapismus

Wie lange das Zwischenhoch anhält bzw. wie sich die Sache nach den Sommerferien weiterentwickelt, bleibt abzuwarten. Mein Optimismus hat im vergangenen Jahr etwas gelitten, Eskapismus funktioniert allerdings immer noch: Ich übersetze zur Zeit einen historischen Liebesroman und schreibe an einem Odenwälder Krimi. Danach geht es fantastisch weiter, mit einem Computerspiel, einem Romanprojekt und einer Novelle. Die wird allerdings auf Englisch geschrieben; ich bin gespannt, wie ich damit zurechtkomme.

Virtuelles Konzert Nr. 11: Tanzmusik Marke Winneweh

Gestern gab es ein paar sonderbare Instrumente, heute kommt noch etwas Tanzmusik Marke Winneweh.

Mazurka:

Schottisch:

Walzer:

 

Polka:

An Dro:

Chapelloise:

Und zum Abdudeln bzw. -leiern:

Virtuelles Konzert Nr. 10: Winneweh

Wie angedroht geht es im heutigen virtuellen Konzert Nr. 10 um Winneweh. Das erste Video erklärt das Wesentliche. Man beachte die letzte Strophe.

{{Der Song steht leider nicht mehr online, wird aber inzwischen wieder live in der Dreschhalle gesungen.}}

Von Alphorn bis Zink ist seit Jahren ein Motto der Veranstaltung. Hier kommen auch ein paar weniger häufig anzutreffende Instrumente dazwischen zu Ton.

A vor weniger idyllischer Kulisse als gewohnt

Ohne D geht gar nix

G geht auch leiser

Mit sogar zwei M wird es ungewohnt feierlich

Die sind ein bisschen arg aufgebrezelt, haben aber ein schönes S

Jetzt fehlt nur noch das Z

Lesestoff – Mittelalterlicher Markt

Es folgt eine neue Portion Lesestoff, aus gegebenem Anlass spielt die Szene auf einem mittelalterlichen Markt, nicht auf Burg Lindenfels, sondern in der Reichsstadt Germersheim. Das Ganze gehört zu meinem unveröffentlichten Mittelalterkrimi „Der Junge aus Polen“. Mehr Abenteuer mit Alheit und Franz finden sich in der Bibliothek unter Geschriebenes.

Lesestoff - Mittelalterlicher Markt

Auf dem Marktplatz hatte ein milchgesichtiger Händler seine Bude aufgeschlagen und stellte nun Töpferwaren aus.

Gleich neben ihm jonglierten zwei Gaukler mit allerlei Gerät. Der Händler schien gar nicht zu bemerken, dass sich einer von ihnen ein Tiegelchen in passender Form und Größe nahm und wie einen seiner bunten Bälle durch die Luft wirbelte. Nach einigen Runden setzte der Gaukler es elegant wieder ab.

Da erst erhob der Händler ein Geschrei: „Bist du verrückt geworden? Das ist zerbrechliche Ware! Den Schaden zahlst du mir!“

Welchen Schaden?“, rief ein Händler der weniger reichen Sorte mit struppigem blondem Bart und dichten Locken. Er trat aus einem runden roten Zelt an der Südseite des Platzes, etwa in gleicher Entfernung von Kloster und Rathaus.

Der junge Kaufmann fuhr verwirrt herum und betrachtete seine Ware genauer.

Ein derbes Lachen erklang. Frieder der Wirt. Hier stand er auf dem Markt, in einer neuen dunkelgrünen Feiertagscotte, den Becher in der Hand, und amüsierte sich, während seine Frau zu Hause die Gäste willkommen hieß. Ob er aus dem Fässchen auf seinem Handkarren tatsächlich Wein verkaufte oder mehr davon selbst trank, mochten die Heiligen wissen. Alheit wandte sich ab.

Franz begleitete die akrobatischen Sprünge der beiden Gaukler auf der Drehleier. Es wurde Zeit für Alheit, ihn zu unterstützen. Dennoch zögerte sie, die Flöte aus dem Korb zu nehmen. Mit dem schrillen Instrument konnte sie sich nicht mehr verstecken. Aber früher oder später musste sie spielen, früher oder später musste sie Frieder entgegentreten. Sie fiel in die Tanzweise ein und nickte Else zu, kräftiger zu trommeln. Die erwiderte Alheits Blick verständnislos.

Zu Frieder und seinem Fässchen kam tatsächlich eine Kundin. Eine hagere Frau mit dunklen Augen und grauer Haube ließ sich ihren Krug füllen. Der Bärtige legte von hinten den Arm um sie. Ungerührt schenkte sie ihm ein. Offenbar kannten sie ihn schon länger. Sie blieben bei Frieder stehen und gaben, ihrer Miene nach zu urteilen, allerlei spöttische Bemerkungen zu den Menschen und dem Geschehen auf dem Marktplatz.

Die Gaukler ließen sich mit einem gewagten Sprung zu Boden fallen, Franz spielte ein Amen. Die Zuschauer riefen nach mehr. Doch der Händler mit seinen empfindlichen Töpfen schlug vor: „Aber jetzt macht ihr da drüben weiter, ja?“

Da drüben?“, fragte der größere der beiden Gaukler und wandte sich schwungvoll in die gezeigte Richtung.

Nein, da drüben.“ Sein Geselle kam ihm mit ebenso viel Schwung entgegen, und sie fielen zurück in den Staub.

Als sie sich wieder regten, stimmte Franz einen Reigen an und tanzte zwischen Buden, Brettern und Planen hindurch zu der angewiesenen Stelle. Aus dem Augenwinkel sah Alheit, dass die Gaukler ihnen mit allerlei Verrenkungen folgten.

* * *

Bild: gemeinfrei, via Wikipedia

Heiße Sohle Anno 1786

In Kürze steht das Altstadtfest Neckargemünd an, bei dem das unvergleichliche, nie dagewesesene Ensemble Neckarklang and Friends spielen wird. Zu den „friends“ zähle auch ich, also folgen hier ein paar Worte zu einem Teil des Programms.

Frisch digitalisiert

Über eine Cantiga de Santa Maria, die wir spielen, habe ich mich schon vor ein paar Wochen ausgelassen. Jetzt geht es um etwas neueres Repertoire, nämlich Tanzmusik aus dem späten 18. Jahrhundert. Seit ihrer Digitalisierung im Jahr 2012 geistert die Sammlung Dahlhoff durch die Folk-Szene. Nicht alle 800 oder so Stücke natürlich, es kristallisieren sich mit der Zeit Schlager heraus. Wir haben es im Speziellen auf Rode See abgesehen. Die Tatsache, dass die Melodien ursprünglich wohl für Geige notiert wurden, hindert uns nicht daran, für unsere Version diverses Gebläse einzusetzen.

Heiße Sohle 1786

Heiße Sohle Anno 1786

„Dahlhoff“ ist allerdings längst nicht die einzige Sammlung dieser Art, und auch schon lange, bevor man Manuskripte digitalisieren konnte, haben sich Leute an die Transkription dieser Musik gewagt. So hat sich zum Beispiel eine Faksimile-Ausgabe des Wernigeröder Tanzbüchleins (1993, mit einem Nachwort von Ernst Kiehl) in mein Regal verirrt. Das Original ist ab 1786 entstanden.

Mit 140 Seiten ist der Umfang überschaubarer als bei Dahlhoff. Notiert wurden die Stücke ebenfalls für Violine, meist in D-Dur, manchmal auch zweistimmig. Wie sich die Bearbeitung für Dudelsack & Co. anlässt, bleibt noch abzuwarten (obwohl – hier ist schon mal ein Beispiel). Dabei handelt es sich vor allem um Menuette, Quadrillen und Anglaisen, die Modetänze der damaligen Zeit. Teilweise sind sie mit Skizzen zur Tanzanleitung versehen. Auch die könnten sich als Bastelgrundlage eignen.

Die Odenwälder mal wieder

Dagegen fällt die Odenwälder Spinnstube (Heinrich Krapp, 1904) mit „300 Volkslieder[n] aus dem Odenwald“ deutlich ab. Teilweise wird da schon der Weg zum Absingen von Seemannsliedern in völlig trockener Umgebung bereitet. Tanzmelodien sind nur wenige enthalten, die sind dafür umso simpler gestrickt. Ein Versuch, sie aus den Tiefen der Unibibliothek Heidelberg zu befreien, wurde abgebrochen. Abgefahrene Instrumente allein schaffen da auch nicht genug Pepp.

Bild: Tanzende Kinder von Lorens Pasch (1733-1805), gemeinfrei

Tanzen und S(pr)ingen

Aus aktuellem Anlass gibt es mal wieder etwas Musiklastiges zu lesen, diesmal über sonderbare Instrumente.

Wie in der Terminliste angekündigt, findet am 10. Juni um 18.30 Uhr ein Konzert im Kronepark in Bensheim-Auerbach statt, mit Renaissance-Tänzen, unter anderem nach Arbeau und Negri. Es singt der Eventchor Bensheim, es tanzt der Historische Tanzkreis und es spielen acht unerschrockene MusikerInnen, meist auf Blockflöten. Dazu kommen Trommel bzw. Tamburin, Gitarre und Cello.

Historische Instrumente sind eher spärlich vertreten: Es sind Drehleier, Dudelsack und Portativ. Dabei ist „historisch“ oder auch „traditionell“ sowieso ziemlich relativ.

Aus dem 16. Jahrhundert, in dem die Tänze aufgezeichnet wurden, gibt es auch Quellen zu Musikinstrumenten und ihrer Verwendung. YouTube-Videos sind verständlicherweise spärlich, aber auch Originalinstrumente sind nur vereinzelt in Museen erhalten. Das sind dann vor allem solche, die überwiegend aus nicht biologisch abbaubarem Material bestehen. Sie gehörten in der Regel eher Leuten, die es sich leisten konnten, mal etwas aufzubewahren, was nicht mehr unmittelbar in Gebrauch war.

Die größte Gefahr für diese Instrumente war die wechselnde Mode. Oft lassen sich an Museumsstücken die Spuren späterer Umgestaltungen finden, mit denen das Instrument einer neuen Klangvorstellung angepasst werden sollte. Manchmal stellen sie sich auch als Fälschung aus dem 19. oder 20. Jahrhundert heraus, wie zum Beispiel ein Portativ im Instrumentenmuseum des Königlichen Konservatoriums in Brüssel. Es galt noch vor fünfzig Jahren als Original aus dem 17. Jahrhundert. Das wäre ohnehin recht spät gewesen, denn aus Bildern sind halbwegs glaubhafte Darstellungen der Mini-Orgeln schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts verschwunden, die letzte urkundliche Erwähnung erfolgte in einem Inventar Heinrichs VIII.

Wie beim Cembalo und bei der Blockflöte ist die Tradition für dieses Instrument also abgerissen und wurde erst mit dem neu entstandenen Interesse an Alter Musik im 19. Jahrhundert wiederbelebt. Als Grundlage dazu diente – in Ermangelung von Originalen, die man hätte nachbauen können – der aktuelle Stand der Technik im Orgelbau. Aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist ein Portativ mit zwei Registern – davon vermutlich eins mit Zungenpfeifen – erhalten (Museum Tholey). Beschrieben wird es allerdings als Nachbau eines Memling-Modells … (Koninklijk Museum voor de Schone Kunsten, Antwerpen).

Die Entwicklung ist hier also etwas anders verlaufen als beim Cembalo oder bei der Blockflöte, bei denen die Hersteller an vorhandene Instrumente anknüpfen konnten. Von dort aus wurden Neuerungen entwickelt, die den zeitgenössischen Hörgewohnheiten entsprechen, sei es in Sachen Lautstärke, um in großen Sälen mit Orchesterinstrumenten mitzuhalten, oder in Sachen Tonumfang – noch tiefer, noch chromatischer.

Beim Portativ kamen die Bemühungen, sich an den vorhandenen Abbildungen und anderen Quellen aus dem Mittelalter zu orientieren, eher später, mit der nächsten Welle des „Early Music Revivals“ ab den 1960er Jahren. Überlegungen zu Einsatzmöglichkeiten jenseits der Mittelalter-Musik und damit die Entwicklung neuer Klangvorstellungen für das Instrument kommen gerade in Gang. Man darf gespannt sein, was in den nächsten Jahren noch entsteht.

Siehe auch: “Der Pfarrer von Plön”, oder was?

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén