Hier in der Nähe bahnt sich ein größeres Spiele-Event – inklusive Meisterschaftsfinale – an, deshalb gibt es heute einen Weltenbau-Artikel zu diesem Thema.

Weltenbau und Spiele

Inspiration aus Aventurien …

Im Gegensatz zu Essen oder Musik, die vor allem innerhalb der Welt eine Bedeutung haben, können Spiele auch von außen her Einfluss nehmen. Seit mindestens dreißig Jahren gibt es Fantasy-Rollenspiele, anfangs Pen & Paper, später elektronisch. Viele Autor*innen des Genres haben Spielrunden geleitet bzw. tun das immer noch, andere zocken online oder entwickeln Computerspiele. Da bleibt es kaum aus, dass die Spielwelten gewisse Auswirkungen auf die Romanwelten haben – sei es durch Anspielungen, Parodien oder direkte Gegenentwürfe, von mehr oder weniger bewussten Übernahmen ganz zu schweigen.

Die Welt, in der Die Göttin der Helden spielt, verdankt ihre Existenz einer DSA-Parodie, die zu einer Ausschreibung der Story-Olympiade entstand: Kann man die intensive Buchführung rund um die Entwicklung aventurischer Held*innen in eine Romanwelt übertragen? Wie könnte das aussehen? Mehrere Geschichtenfragmente und zahlreiche Eingebungen aus anderen Quellen später beschreibe ich jetzt sozusagen die Anfänge der Abenteuer-Bürokratie. Ich habe zwar gewisse Vorstellungen, wie sich das weiter entwickeln könnte, aber vielleicht stellt sich beim Schreiben auch heraus, dass das System nicht wie gedacht funktioniert. Dann schrumpft der kulturelle Einfluss aus Aventurien eben wieder.

… und aus einer ganz anderen Ecke

Ein zweites Spiel, das diese Welt nachhaltig beeinflusst hat, ist für das Genre eher untypisch. Vor einigen Jahren habe ich den „historischen“ Ableger eines Computerspiels aus der Ecke Mädchen – Pferde – Abenteuer übersetzt. Es ging dabei um eine Sammelqueste einmal rund um die Erde im frühen 21. Jahrhundert. Dieses Grundgerüst habe ich für meinen NaNoWriMo-Roman in dem betreffenden Jahr in die Welt der Regenbogengötter und auf einen technisch nicht ganz so fortgeschrittenen Stand versetzt. (Im Vergleich zu Die Göttin der Helden sind wir trotzdem mehrere Jahrhunderte weiter.) Dadurch, dass die Geschichte eben in allen Teilen der Welt spielte, habe ich eine Menge über diese und ihre Bewohner erfahren, was ich jetzt gut gebrauchen kann. Also – ein Hoch auf rosa Halfter und Turnierschleifen.

Was spielen unsere Helden?

Jetzt zur anderen Seite, Spiele innerhalb der Welt. Schach ist eine beliebte Vorlage für allerlei fantastische Spiele, ebenso Glücksspiele. Dabei eignen sich die Schach-Derivate eher als gesellschaftliche Etiketten und Elemente zur Figurencharakterisierung. Es kommt selten vor, dass die taktischen Feinheiten oder die kulturellen Aspekte solcher Spiele bis ins Detail ausgeführt werden. Das Spielmaterial, die Regeln und Konventionen dazu so zu präsentieren, dass das Ganze zur Spannung beiträgt, wird umso schwieriger, je geringer die Parallelen zum terranischen Vorbild sind.

Als Gegenbeispiel kann Die Spiegel von Kettlewood Hall dienen. Da steht ein Schachspiel im engeren Sinn im Mittelpunkt der Handlung, inklusive einer Regel, die genau im richtigen Jahr offiziell eingeführt wurde. Das geht, weil der Roman in England spielt und echte Schach-Nerds – und auch alle anderen misstrauischen Leser*innen – diese Entwicklung nachprüfen können. In einer Fantasy-Welt sähe das viel stärker nach Willkür der Autorin aus, die sich die Regeln zurechtschnitzt, wie sie sie gerade braucht.

Mehr Glück, als die Polizei erlaubt

Glücksspiele sind meist weniger kompliziert und deshalb leichter nachvollziehbar, auch wenn man die Einzelheiten nicht kennt. Entsprechend lassen sie sich einfacher handlungsrelevant einbauen. Sie bieten außerdem Konfliktpotenzial, zum Beispiel durch Falschspiel oder gewagte Einsätze. Spielschulden können die Figuren zu allerlei Taten motivieren, die den Plot voranbringen. Die Ambivalenz, dass die Obrigkeit das Glücksspiel einerseits reglementiert bis verbietet und andererseits daran verdient, reicht mindestens bis ins Mittelalter zurück. Auch mit diesem Aspekt kann man in einer Fantasy-Welt für Komplikationen sorgen.

Ich muss zugeben, dass „spielen“ in meinen Fantasy-Welten bisher mehr mit „Instrumente spielen“, notfalls noch „Theater spielen“ zu tun hatte. Höchste Zeit, das zu ändern. In Die Göttin der Helden gibt es da eine Figur, die sich als Spieler eignet, und die eine oder andere Gelegenheit für ein Lebendschach – wie auch immer die Regeln dazu aussehen werden. Außerdem müssen die Mittel für ein großes Bauvorhaben aufgebracht werden. Da wäre vielleicht eine Lotterie angebracht …

Literatur

  • Bornet, Philippe, und Maya Burger. Religions in Play – Games, Rituals, and Virtual Worlds. Pano Verlag, 2012.
  • Birkhan, Helmut. Spielendes Mittelalter. Böhlau Verlag, 2018.

Bild: DerRaoul über Wikipedia, CC-BY-SA 3.0