Um mal wieder die Kurve zum Weltenbau zu kriegen, folgt hier eine kurze Rezension eines meiner Meinung nach gelungenen Beispiels: Der letzte Winter der ersten Stadt von Rafaela Creydt.

Verschiedene Kulturen

In dem Roman spielt das Zusammentreffen zweier verschiedener Kulturen eine große Rolle, die beide sinnvoll ausgearbeitet sind, ohne dass terranische Parallelen beim Lesen sofort ins Gesicht springen. Beides sind menschliche Kulturen, fantasy-typische oder auch untypische „Fremdrassen“ treten nicht auf. Vorurteile hegen die Efoni und Tagoren gegeneinander, da braucht es weder Orks noch Elfen.

Die beiden Völker haben eine gemeinsame Geschichte mit Krieg, Eroberung, Widerstand und Zusammenraufen in unterschiedlicher Ausprägung. Kaiserhaus (Tagora) und Königshaus (Efon) sind miteinander verwandt/verschwägert und intrigieren eifrig zum Wohl der einen oder anderen Seite. Wobei dahingestellt ist, welche Seite das sein könnte und wie viele überhaupt im Spiel sind. Was die gewöhnlichen Bürger davon halten, deren Leben nachhaltig davon beeinflusst wird, steht nochmal auf einem anderen Blatt. Oder genauer auf mehreren anderen Blättern, denn natürlich sind unterschiedliche Gruppen unterschiedlich betroffen. Also ganz, wie man es aus der terranischen Geschichte kennt.

Exotische Früchte oder Grütze?

Ein Punkt, in dem sich die Kulturen erkennbar unterscheiden, ist das Essen. Krai, die Hauptfigur, hat unter anderem die Aufgabe, die Königin zu verpflegen. Auf Staatsbesuch am Kaiserhof stößt er dabei auf Schwierigkeiten von der Beschaffung der Zutaten bis zum Unverständnis des Küchenpersonals und überhaupt der höfischen Organisation.

Gesang für höhere Mächte

Mehr Gemeinsamkeit kommt bei der Musik auf. Die Efoni ziehen in der tagorischen Hauptstadt Atai mit Trommeln, Flöten und Zimbeln ein, die Königin tanzt zu den gleichen Instrumenten. Später verschwinden die Zimbeln, Trommeln begleiten den allgemeinen Tanz am hohen Feiertag Ana gebiert die Welt, dazwischen erklingen Flöten. Im Großen und Ganzen wird zu diesem Tanz jedoch gesungen, nämlich das Lied der Sterne, das auch jeden Morgen die aufgehende Sonne begrüßt. Ebenso singt Krai, um sich mit den Geistern zu verständigen.

Nach Aussagen des Verlags und der Autorin spielt der Roman in derselben Welt wie Die Stadt am Kreuz – übrigens auch sehr empfehlenswert. Beim Lesen fällt das nicht besonders auf. Die Bücher können ohne Weiteres alleine stehen. Auch das spricht in meinen Augen für einen gelungenen Weltenbau. Weit von einander entfernte Regionen und verschiedene Epochen müssen sich nicht unbedingt berühren, beim typischen Stand der Technik von Fantasy-Welten wäre eher das Gegenteil erstaunlich.

Noch zwei Zitate zum Abschluss:
Neschka: „Wir sind alle mehr als ein Mensch, in uns drin, oder nicht?“

Krai: „Solange wir den gleichen Weg gehen, willst du mir vorwerfen, wenn ich tanze und ihr marschiert?“