Es folgt eine neue Portion Lesestoff: „Das Gold des Leprechauns“, Teil 7 der phantastischen Kurzgeschichte von Nora Meister. Es geht wieder ins Meer – und zurück an Land, bevor das Himbeereis schmilzt. Hier finden sich die Teile 1, 2, 3, 4, 5 und 6.
Nun hielt ich es für angebracht, mich zurück in einen Menschen zu verwandeln. Doch war mir nicht ganz klar, wie ich das bewerkstelligen sollte.
Lachend zogen zeigte mir ein Frechdachs von Nixenmann, wo genau sich die Lasche in meinem Fell befand, mit der ich es auseinanderziehen konnte. Es fiel von mir ab und da stand ich wieder, ein Menschlein, das seine Schuhe am Ufer des Meeres vergessen hatte. Immerhin hatte ich meine Kleider noch an!
Ich rollte mein Fell zu einem kleinen Bündel, es wurde mir jedoch abgenommen, mit der Zusage, man würde sehr gut darauf aufpassen. Meine Füße fühlten sich noch etwas fremd an, ich taumelte eher, als dass ich hoheitsvoll in diese fremdartige Stadt schritt. Nun konnte ich allerdings auch wieder sprechen, das war eine Erleichterung für mich.
Tatsächlich sorgte meine Anwesenheit für ein wenig Aufruhr, aus etlichen Straßen kamen Leute zum Vorschein, auch dem Becken hinter mir entstiegen Gestalten. Meine Begleiter wandten sich zu mir um, einer richtete das Wort an mich: „So, Selkie. Nun erkläre uns, was dich zu uns verschlägt.“
Ich versuchte, den Grund meiner Anwesenheit möglichst einfach zu erklären. Die Menge um mich herum reagierte allerdings sehr besorgt, als ich ihnen die Geschichte vom Leprechaun und seinem Goldtopf schilderte.
„Das muss der König erfahren!“, beschlossen meine Begleiter. So wurde ich wieder in die Mitte genommen und durch die Straßenzügeder Stadt geführt. Nun bemerkte ich auch den Grund für die Helligkeit im Becken: Alle Gebäude waren aus einem hellen Stein gebaut, der geradezu zu leuchten schien. Verziert waren sie mit Perlmutt, sodass alles in den buntesten Farben funkelte. Auch die Barriere, die das Wasser fernhielt und für Luft sorgte, schimmerte in den Farben des Regenbogens. Das roch förmlich nach Magie.
„Wo sind wir hier eigentlich? Wie konntet ihr euch in Menschen verwandeln?“, platzten die Fragen aus mir heraus.
„Du wirst lachen, wir sind hier in Atlantis“, erklärten mir die Meermenschen, die mich zum Palast eskortierten. „Die versunkene Stadt, ganz recht. Als sie versank, sprachen Druiden einen Bann über sie, um auch unter Wasser leben zu können. Als unser Volk sich hier ansiedelte, war die Stadt bereits verlassen. Doch die alten Zauber wirken noch immer. Vermutlich gab es zu guter Letzt immer wieder Angriffe, sodass jemand den Zauber der Menschwerdung sprach. Nur in Atlantis können wir gefahrlos eine menschliche Gestalt annehmen. Die Barriere lässt nicht nur das Wasser zurückweichen, auch das Böse hat mittlerweile keinen Zugriff mehr auf die Stadt.“
Aha, so war das also. Das musste ich erst mal verdauen, darum gingen wir schweigend weiter. Ich bestaunte die kastenförmige Architektur der Stadt, Brunnen, in denen sich Kinder tummelten, Statuen und allerlei Dinge, die mir fremd waren.
* * *
Fortsetzung folgt.
Weiteren optimistischen Eskapismus gibt es hier, hier und ab hier.
Die Autorin: Nora Meister, Baujahr 1992, konnte sich in frühen Jahren nicht allzu sehr fürs Lesen begeistern. Eigene Geschichten über schulpflichtige Schnecken verfasste sie allerdings schon im Grundschulalter. Im Laufe der Zeit gewann auch das Lesen für sie an Bedeutung, sodass sie nun Herrin über ein brechend volles Bücherregal ist. Ihr verworrenes Leben mit Studium, Judo, Ehemann und viel zu vielen Tieren entwirrt sie, indem sie noch immer Geschichten schreibt: mittlerweile ohne Schnecken, dafür mit (viel zu viel) Fantasie. Auch wenn sie von fernen Inseln träumt, lebt und schreibt sie doch am liebsten im schönen Odenwald, wo denn auch sonst?
Bild: via Wikipedia, CC BY-SA 3.0
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