Es folgt eine neue Portion Lesestoff: „Das Gold des Leprechauns“, Teil 3 der phantastischen Kurzgeschichte von Nora Meister. Es geht wieder ins Meer – und zurück an Land, bevor das Himbeereis schmilzt. Hier finden sich die Teile 1 und 2.

Lesestoff - Das Gold des Leprechauns

Eine Frage war somit beantwortet, also bat ich hin, mir die Sache zu erklären. Das nahm einige Zeit in Anspruch, da mein Gegenüber zu aufgebracht war, um einen ordentlichen Tatsachenbericht zu erstatten. Grob zusammengefasst, hatte sich das ganze wohl in etwa so abgespielt: Ein vorwitziger junger Meermensch (oha!) hatte sich über die zynische Art des Kobolds geärgert und daraufhin dessen Goldtopf entwendet. Und das im Schnabel eines Riesen-Pelikans, da sich die Meermenschen nicht im Süßwasser des Flusses aufhalten konnten.

Der Leprechaun bekam von diesem Überfall nicht viel mit, er hatte sich wohl aus einem nahegelegenen Pub ein Fässchen Ale besorgt und war im Rausch eingeschlafen. Als er wieder aufwachte und seinen Topf voller Gold vermisste, rief er das einzige Wesen, das ihm einfiel, um Hilfe: mich.

* * *

„Alles klar, ich habe verstanden. Aber warum um Himmels Willen hast du ausgerechnet mich gerufen? Eine ehemalige Touristin aus der Mitte Deutschlands?“ Ich konnte mir das noch immer nicht erklären.

Der kleine Mann in Grün schaute mich irritiert an: „Warum nicht? Du bist die einzige deiner Sorte, die mir in den letzten Jahren begegnet ist. Also dachte ich mir, du kannst noch nicht in der Versenkung verschwunden sein.“

Diese Erklärung mochte in seinen Ohren schlüssig klingen, in meinen allerdings nicht. Ich verschränkte die Arme:„Geht das noch ein wenig genauer?“

Dafür erntete ich allerdings einen scharfen Blick. „Wie jetzt? Du weißt es nicht? Hast du noch nie in den Spiegel geschaut? Deine Haarfarbe? Deine Augen, in denen sich ein dunkles Braun verbirgt? Du bist ein Abkömmling der Selkies! Du kannst mir meinen Goldtopf von den Meermenschen zurückholen. Zufälligerweise habe ich noch irgendwo ein Fell, das wird dir schon passen. Ich hab es vor Jahren beim Würfeln gewonnen. Damit gehst du den Fluss hinab ans Ufer des Kenmare River. Dort steigst du in das Fell und schon bist du eine Robbe. So kannst du zu den Meermenschen schwimmen. Die Blödköppe lagern irgendwo in der Bucht, seit der Klimawandel das Wasser hier so schön erwärmt hat. Alle Fragen geklärt? Gut. Dann mach dich jetzt vom Acker und bring mir mein Gold zurück. Vielleicht kriegst du dann einen Teil des Schatzes von mir.“ Mit diesen Worten klatschte der Kobold in die Hände und verschwand vor meinen Augen.

* * *

Fortsetzung folgt.

Weiteren optimistischen Eskapismus gibt es hier, hier und ab hier.

Die Autorin: Nora Meister, Baujahr 1992, konnte sich in frühen Jahren nicht allzu sehr fürs Lesen begeistern. Eigene Geschichten über schulpflichtige Schnecken verfasste sie allerdings schon im Grundschulalter. Im Laufe der Zeit gewann auch das Lesen für sie an Bedeutung, sodass sie nun Herrin über ein brechend volles Bücherregal ist. Ihr verworrenes Leben mit Studium, Judo, Ehemann und viel zu vielen Tieren entwirrt sie, indem sie noch immer Geschichten schreibt: mittlerweile ohne Schnecken, dafür mit (viel zu viel) Fantasie. Auch wenn sie von fernen Inseln träumt, lebt und schreibt sie doch am liebsten im schönen Odenwald, wo denn auch sonst?

Bild: via Wikipedia, CC BY-SA 3.0


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