Es folgt eine neue Portion Lesestoff: „Das Gold des Leprechauns“, Teil 12 der phantastischen Kurzgeschichte von Nora Meister. Es geht wieder ins Meer – und zurück an Land, bevor das Himbeereis schmilzt. Hier finden sich die Teile 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 und 11.

Lesestoff - Das Gold des Leprechauns

Einer der Männer blieb zurück, dankte mir für alles und übergab mir ein kleines Geschenk seines Königs: ein Armband aus Silber, an dem kleine Anhänger baumelten. Ein Bettelarmband! Er erklärte mir, das Armband sei magisch, seine Kräfte würde ich mit der Zeit jedoch selbst ergründen. Dann winkte er mir zu und verschwand in den Tiefen der Bucht.

Ich packte mein Fell in den Topf und begann, ihn am Flussufer entlang zur Brücke zu schleifen.

In der Nähe hörte ich Stimmen, die sich auf Englisch unterhielten. Da sie das Wort „Nessie“ erwähnten, ging ich davon aus, dass sie den wenig glamourösen Abgang des schrecklichen Prinzen bemerkt hatten. Was trieben sich aber auch so viele Menschen an dieser Bucht herum!

Der Weg zurück zur Blackwater Bridge schien endlos zu sein, dieser verflixte Topf war ziemlich schwer und der Leprechaun, der ihn vermutlich mit einem Fingerschnippsen transportieren könnte, ließ sich nirgends blicken. Der war bestimmt wieder in einem Pub und genoss ein kühles Ale.

Die Nacht verschwand langsam, die Sonne ging auf, und ich war noch immer unterwegs mit diesem dämlichen Goldtopf. Da hörte ich plötzlich ein Rascheln und Lachen in den Hecken vor mir. Tatsächlich tauchten dort ein paar junge Männer auf, die wohl in der Nähe zelteten. Sie hatten ein Feuer gemacht und brieten Würstchen an langen Stöcken,umringt von leeren Ale-Flaschen.

Natürlich bemerkten sie mich sehr schnell und riefen mir Dinge auf Gälisch entgegen.

Ich antwortete nicht, schließlich hatte ich nur Kauderwelsch verstanden. Sie versuchten es erneut, diesmal auf Englisch. „Na, schöne Frau, was hast du denn vor?“

Schöne Frau, von wegen.

Die Männer erhoben sich, kamen näher und untersuchten mein klobiges Gepäckstück. „Was hast du denn mit dem Haufen Plastikmünzen vor?“, fragten sie mich.

Plastik? Ich lugte in den Topf. Nein, kein Plastik. Na, wenn sie das nicht erkannten –

„Ich … äh… bin Touristen-Guide. Aus … Deutschland. Ich … äh … mache eine Art Suche, die Gruppe muss diesen Schatz finden. Aber nun muss ich weiter. Dürfte ich bitte mal durch?“ Etwas besseres fiel mir auf die Schnelle nicht ein.

Aber es schien zu funktionieren, die Männer nickten wissend.

* * *

Fortsetzung folgt.

Weiteren optimistischen Eskapismus gibt es hier, hier und ab hier.

Die Autorin: Nora Meister, Baujahr 1992, konnte sich in frühen Jahren nicht allzu sehr fürs Lesen begeistern. Eigene Geschichten über schulpflichtige Schnecken verfasste sie allerdings schon im Grundschulalter. Im Laufe der Zeit gewann auch das Lesen für sie an Bedeutung, sodass sie nun Herrin über ein brechend volles Bücherregal ist. Ihr verworrenes Leben mit Studium, Judo, Ehemann und viel zu vielen Tieren entwirrt sie, indem sie noch immer Geschichten schreibt: mittlerweile ohne Schnecken, dafür mit (viel zu viel) Fantasie. Auch wenn sie von fernen Inseln träumt, lebt und schreibt sie doch am liebsten im schönen Odenwald, wo denn auch sonst?

Bild: via Wikipedia, CC BY-SA 3.0


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