Hier kommt die nächste Portion Lesestoff: “Dämlich, aber froh”, Teil 5 der fantastischen Kurzgeschichte mit ausgiebiger Eiersuche. Was bisher geschah: Teil 1, Teil 2, Teil 3 und Teil 4.
Harry hatte sich schon überlegt, wo er unauffällig ein Huhn unterbringen konnte. Der Raiffeisenmarkt hatte noch lange genug offen und auf Harrys Konto lag das nötige Kleingeld, das er jetzt in seine baldige Rente investieren wollte.
Er fand einen legalen Parkplatz oberhalb des Marktes und ging über eine Treppe am Ende einer langen Laderampe hinauf zur Ladentür. Sie glitt zur Seite und Harry stand in einer Art Streichelzoo – Käfige und Glasbecken mit Kaninchen, Meerschweinchen und anderen flauschigen Kleintieren. Es gab auch Aquarien mit bunten Fischen und Plastikpflanzen und eine größere Voliere mit Vögeln. Das sah alles mehr nach Hobby aus als nach ernstzunehmender Tierhaltung. Harry suchte also eine Tür, die zu den anderen Abteilungen führte. Leider war kein Mitarbeiter in der Nähe, den er hätte fragen können. Er ging einfach geradeaus und hoffte auf das Beste.
Bis der Fußboden Wellen bekam wie in einem Hundertwasserhaus. Und rundum sahen Wände und Einrichtung aus wie das Exotenhaus in einem Zoo – bis obenhin verglaste Räume, eingerichtet mit Holz, Steinen und vielen grünen Pflanzen, und darin saßen Tiere aller Art. Echsen vor allem und Schlangen, lauter Getier, das Harry lieber aus der Ferne betrachtete. Deshalb schaute er nicht allzu genau hin sondern suchte möglichst schnell den Ausgang.
Durch einen Schnürenvorhang gelangte er in eine Art Freifluganlage. War er hier am Ende doch im Zoo gelandet? Hier flatterten aber nicht nur Vögel, Riesenfledermäuse oder Schmetterlinge, wie man erwarten würde. Nein, da vorne auf dem Futterplatz ungefähr in Kopfhöhe saß eindeutig ein kleiner Drache.
An einen Baumstamm gelehnt ruhte ein Mitarbeiter im hellbraunen Kittel mit gesticktem Logo auf der Brust, einen Strohhut ins Gesicht gezogen, die Hände vor dem Bauch verschränkt.
„Hallo?“, sagte Harry.
Der Mann schreckte auf. „Was ist?“, fragte er schlaftrunken.
„Ich suche Hühnerfutter.“
„Äh … da gehen Sie am besten zum Herr Schwinn. Der kann Ihnen da alles zeigen.“
„Und wo finde ich den?“
Der Mann sagte nochmal „Äh“ und stand auf. „Ich zeigs Ihnen.“
Mit jedem Schritt, den Harry in der Freiflughalle hinter dem Verkäufer herging, wurde der Fußboden ebener. Kein Kiesweg mehr, keine Bäume. Bald stand er wieder zwischen Regalen, in denen Dünger und Gartengeräte lagen. Der Verkäufer zeigte auf einen Durchgang. „Gehn Sie da weiter, durch die Tür gibts Hühner- und Hasenfutter.“
Harry lud auf, was er brauchte, und machte sich aus dem Staub. Was war das eben gewesen?
In der Nacht träumte Harry wieder von der peinlichen Grillparty beim Chef, wo er diesmal im rosa Tutu aufschlug. Wieder bekam er nur Hähnchenbeine zu essen, und er wachte hustend auf, weil ihm ein Knochen im Hals steckte. Zum Glück nur ein Traumknochen.
* * *
Fortsetzung folgt.
Mehr Lesestoff gibt es hier.
Bild: Simon Meyer, foto-x.ch, CC BY-SA 3.0
0 Kommentare